Der Gemeine Lumpfisch

von Ned Beauman

Der Gemeine Lumpfisch | Buchcover | Buchleserin Buchblog

Klimakrise, Artensterben und der Mensch

Wurde der intelligenteste Fisch des Planeten durch eine Computerpanne ausgerottet? Ned Beaumans neuer Roman ist Literatur mit hohem Drehmoment, ein Buch voller Kapriolen, rasant und mit großer Fabulierfreude erzählt. Noch nie wurden die wichtigen Themen unserer Zeit so humorvoll auf den Punkt gebracht wie hier.

Mark Halyard arbeitet als Umweltverträglichkeitskoordinator bei der Brahmasamudram Mining Company, die im Tiefseebergbau tätig ist und versehentlich den Lebensraum eines wenig bekannten Putzerfischs, des Gemeinen Lumpfischs, vernichtet hat. Um die Zerstörung des Planeten einzudämmen, sind Unternehmen gesetzlich verpflichtet, für viel Geld Auslöschungszertifikate zu erwerben, falls sie an der Ausrottung einer Spezies mitwirken. Allerdings hat sich Halyard mit Leerverkäufen von Lumpfisch-Zertifikaten verspekuliert. Nachdem er auf fallende Preise gewettet hat, stellt ein mysteriöser Hackerangriff auf diverse Biobanken, in denen Gewebeproben und Genomdaten gefährdeter Arten gespeichert werden, das System auf den Kopf. Alle Back-ups für den Gemeinen Lumpfisch sind futsch, und der Preis für Lumpfisch-Zertifikate geht durch die Decke. Halyards einzige Hoffnung ist, mithilfe der Lumpfisch-Expertin Karin Resaint irgendwo ein Exemplar des Fischs aufzutreiben, damit die Spezies nicht als ausgerottet gilt …

Auszug des Klappentexts

Eine brandaktuelle Sci-Fi-Satire-Dystopie

Gern lese ich Romane zu aktuell wichtigen Angelegenheiten, wenn die Verfasser diese mit einer Prise Humor würzen. Über bestimmte Dinge macht man natürlich keine Späße, aber wenn buchstäblich brennende Themen wie der Klimawandel oder das Artensterben mit dem zwinkernden Auge der Satire vertextet werden, dann greife auch ich gerne zu, wie zu dem hier besprochenen Roman „Der Gemeine Lumpfisch“.

Was kostet die Ausrottung einer Art?

Bei Ned Beaumans Roman „Der Gemeine Lumpfisch“, erschienen 2023 im Verlag liebeskind, wurde mir als Leserin mit dem Klappentext eine bissige Sicht auf unser Verhalten gegenüber der Natur versprochen.

Der Protagonist Mark Halyard ist bei einem Tiefseebergbaukonzern zuständig für den Handel mit so genannten Auslöschungszertifikaten. Diese befreien den Besitzer von Strafen beim Ausrotten von Spezies, wie es nun einmal bei Schürfen von Rohstoffen am Meeresboden passieren kann. Halyard verspekuliert sich jedoch und muss mitansehen, wie der Preis für die Zertifikate für den „Gemeinen Lumpfisch“ durch die Decke geht, als ein Hackerangriff auf die weltweit verteilten Biodatenbanken die Genominfos und Gewebeproben des Fischs unrettbar vernichtet. So macht er sich mit der Biologin Karin Resaint aus sehr unterschiedlichen Gründen auf die Suche nach dem letzten Exemplar des Tiers.

Kreuz und quer durch die Ostsee

Über die Handlung möchte ich nicht allzu viele Worte verlieren. Die beiden sehr ungleichen Charaktere raufen sich widerstrebend zusammen und gelangen über verschiedene Stationen in der Ostsee und deren Küsten, darunter ein Flüchtlingslager in Finnland, zu einer Stadt auf dem Wasser namens „Surface Wave“. Hier werden die Motive und Verstrickungen weiterer Figuren im Roman deutlich, und die Handlung spitzt sich merklich zu. Das dramatische Finale ereignet sich schließlich im menschenleeren Cornwall. Mehr wird hier nicht verraten.

Satire oder Dystopie?

Die erwartete Satire stellt das Buch „Der Gemeine Lumpfisch“ am Ende leider nicht dar. Tatsächlich habe ich den Eindruck, dass der Autor sich nicht recht entscheiden konnte, ob sein Roman unseren Umgang mit der Umwelt durch überspitzte Handlungen der Protagonisten ins Licht zerren oder uns die katastrophalen Auswirkungen durch die Ausgestaltung eines dystopischen Settings näherbringen soll. Beides zusammen stellt eine Gratwanderung dar, die Beauman nur mittelmäßig gelungen und vielleicht sogar unmöglich ist. Jedenfalls hat mich der Klappentext zu einem Buch greifen lassen, dessen Stimmung meine damit geweckten Erwartungen nicht erfüllt hat.

Hinzu kommt der bisweilen zähe Schreibstil: Zwar muss man dem Autor bemerkenswertes Können beim Konstruieren seiner Satzbauten bescheinigen, sehr oft jedoch schießt er damit übers Ziel hinaus und verheddert sich in eingeschobenen Nebensätzen, wahlweise durch Kommata, Gedankenstriche oder Klammern hilfsweise strukturiert. Virtuos ist das nicht. Das Lesen solcher Sätze ist leider kein Vergnügen, da ihr Sinn manches Mal auf der Strecke einer Drittelseite verdurstet. Im Gedächtnis geblieben ist mir die seitenlange Beschreibung von „Surface Wave“ mit irgendwelchen seitlichen Plateaus und Ausbuchtungen, ohne dass sich vor meinem inneren Auge wirklich ein plastisches Bild der Stadt auf dem Meer entwickelte.

Nebenbei komme ich den beiden Hauptakteuren emotional nicht nahe, weil ihre Handlungen hin und wieder nicht nachvollziehbar sind. Beispielsweise fährt Halyard ein paar Mal völlig unvermittelt aus der Haut und entlockt mir ein „Was ist denn mit dem los?“, während die angeschriene Karin Resaint das nicht mal seltsam findet. Abgesehen davon bleiben die beiden ziemlich blass.

Fazit

Die Grundidee des Romans „Der Gemeine Lumpfisch“ birgt gewaltiges Potenzial für einen literarischen Frontalangriff auf unser nachlässiges Verhalten gegenüber unserem Planeten und den darauf lebenden Spezies. Allein das System der Auslöschungszertifikate klingt nicht einmal so absurd. Das in der näheren Zukunft angesiedelte Szenario ist teils eindrücklich beschrieben: Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, habe ich eine Welt am Rande des ökologischen Abgrunds vor Augen, in der sich radikale Umweltaktivisten einer skrupellosen Wirtschaft gegenübersehen, die noch das Letzte an Ressourcen aus dem Planeten rausquetschen möchte.

Trotz allem bleibt das Buch für mich im Mittelmaß hängen, weil es sich stimmungstechnisch nicht einordnen lässt und über weite Strecken zu behäbig daherkommt. Die Kernelemente sind zu rar gestreut, und der Humor ist leider auch zu kurz gekommen. Ich denke, der Autor kann das besser.

Meine Bewertung

3-Sterne-Bewertung der Buchleserin
Hinweis: Keine bezahlte Werbung
ISBN:978-3-95438-158-6
Sprache:Deutsch
AusgabeGebundenes Buch
Seitenzahl384
VerlagLiebeskind
Erscheinungsdatum:13.03.2023

Eine Sci-Fi-Satire-Dystopie, oder so.

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