Kurzgeschichten

Zeit nehmen für kurze, knackige Geschichten

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Kurzgeschichten entdecken | Buchleserin der Buchblog

Aktuell beobachte ich in den Social-Media-Portalen eine interessante Entwicklung. Derzeit sind nach meinem Empfinden Kurzgeschichten wieder sehr beliebt bei den Lesenden und besonders bei den verlagsunabhängigen Autoren.

Ein neuer Trend?

Daher frage ich mich, gilt diese Beobachtung schon als ein neuer Trend oder ist es eine konsequente Folge der kulturellen und digitalen Entwicklungen unserer Gesellschaft?

Einige Leser (und Buchhandelsmitarbeitende) werden jetzt den Finger heben und kritisch anmerken, dass dies nicht wirklich der Realität entspricht. Und das stimmt natürlich. So gehen in den Buchhandlungen definitiv mehr Romane als Kurzgeschichten-Bücher über die Ladentheke. Und dafür gibt es aus meiner Sicht einen simplen Grund: den Preis.

Der Preis der Kurzgeschichten-Bücher ist in der Regel nicht viel geringer als der eines klassischen Romans, denn der Erstellungs-, Verarbeitungs- und Vermarktungsprozess ist derselbe.
So muss zuerst geschrieben und lektoriert, anschließend gesetzt und gestaltet und danach gedruckt, gebunden und abschließend vermarktet werden. Das kostet Zeit und noch mehr Geld, darum liegt der Preis für ein gebundenes Buch einer Kurzgeschichte (z. B. vom Selfpublisher-Verlag Story.one, ein Kooperationspartner von Thalia) nicht im Low-Budget-Segment.

Die Verbraucher haben aufgrund der allgemeinen Kostensteigerung nachweislich eine verringerte Kaufkraft (und Kaufmotivation). Daher wägt der potenzielle Buchkaufende genau ab, welchen Spielraum das monatliche Budget für literarische Ausschweifungen gewährt.
Mit dem Resultat, dass die Entscheidung eher auf einen ca. 80.000 Wörter langen Roman als auf eine Kurzgeschichte mit vielleicht 10.000 Wörtern fällt, schließlich muss der Kauf sich doch lohnen. 😊

Eine echte Alternative sind Anthologien. Diese Kurzgeschichten-Sammlungen beinhalten gleich mehrere Geschichten von verschiedenen Autoren zu einem zentralen Thema.
Das bietet eine hervorragende Chance, gleich mehrere neue Schriftsteller zu entdecken, kurze literarische Häppchen zu genießen und dazu zu einem akzeptablen Preis.

Eine Anthologie ist ein bisschen wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt, bzw. nicht jede Sorte schmeckt, und das kann vielleicht das Genusserlebnis etwas trüben.

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Ein weiterer Beweis dafür, dass Kurzgeschichten auf dem Vormarsch sind, ist die stetig wachsende Anzahl von Plattformen, welche, oftmals kostenlos oder gegen ein geringes Entgelt, zahlreiche Short-Stories zum Download anbieten.
Für neue und unentdeckte Autoren ist dies eine Möglichkeit, sich eine treue Leserschaft zu sichern. Die vermutlich bekanntesten deutschen Plattformen sind story.one und story.app.

Die Kurzgeschichte – ein paar Fakten

Wie lang oder kurz eine Kurzgeschichte sein soll, ist nicht genau festgelegt. Heutzutage entscheidet die Plattform, auf der die Story veröffentlicht wird, über die Rahmenbedingen, wie z. B. bei Story.one.
Hier ist die Vorgabe folgende: max. 17 Kapitel und ein Kapitel darf drei Seiten umfassen. Damit hat ein story.one-Buch einen Umfang von max. 80 Seiten.

Ansonsten liegt die Wortanzahl bzw. die Anzahl der Kapitel einer Kurzgeschichte im Ermessen des Autors. Manche Empfehlungen besagen, dass eine Kurzgeschichte nicht mehr als 10.000 Wörter umfassen sollte. Das ist jedoch nur ein Richtwert, da die Wortzahl allein nicht das Genre definiert. Eine Folge ist, dass eine klare Abgrenzung zwischen einer Novelle und einer Kurzgeschichte schwierig ist und eher einen fließenden Übergang darstellt.

Das Genre „Kurzgeschichte“ zeichnet sich durch die Form der erzählenden Dichtung aus, bei der eine (häufig alltägliche) Begebenheit knapp berichtet wird, die Personen werden skizziert und der Schluss enthält meist eine Pointe. Kurzgeschichten stehen für Vielfältigkeit.
Durch die bewusste Reduktion und Komprimierung des Inhalts sollte die Pointe nicht sofort ersichtlich sein. Der Plot soll die Fantasie des Lesenden ansprechen, um die aufgrund der Kürze entstandenen Lücken bewusst durch die eigene Vorstellungskraft zu füllen.

Es ist eine wahrhaftige Kunst, in einem derart begrenzten Umfang eine harmonische und ausgewogene bzw. eine aussagekräftige, tiefgründige und berührende Handlung zu präsentieren.  

Kurzgeschichten mit Klassiker-Status

Im Deutsch-Unterricht wird neben der Grammatik und Rechtschreibung u. a. das genreübergreifende literarische Verstehen gelehrt, und so sind Novellen und Kurzgeschichten ein fester Bestandteil der schulischen Bildung.

Die deutsche Literatur hat eine reiche Tradition von Kurzgeschichten (und Novellen), und es gibt viele Klassiker, die in diesem Genre hervorstechen. Einige der bekanntesten deutschen Kurzgeschichtenklassiker sind:

„Die Verwandlung“ von Franz Kafka: Eine der berühmtesten Kurzgeschichten der Weltliteratur, die die plötzliche Verwandlung des Protagonisten Gregor Samsa in ein monströses Insekt thematisiert.

„Kleider machen Leute“ von Gottfried Keller: Eine humorvolle und zugleich tiefgründige Geschichte über die Bedeutung von Kleidung und äußerem Erscheinungsbild.

„Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm: Obwohl „Der Schimmelreiter“ eine Novelle ist, wird sie oft in Kurzgeschichtensammlungen aufgenommen. Sie handelt von einem Deichgrafen in Nordfriesland und thematisiert Themen wie Pflichterfüllung, menschlichen Ehrgeiz und Schicksal.

Eines vereint diese Werke: Sie sind bekannt für ihre literarische Qualität, ihre zeitlosen Themen und ihre tiefgreifende Wirkung auf die Leser.

Neue Generation, neue Geschichten

Die Uhr dreht sich weiter, und die Zeiten ändern sich. Neue verlagsunabhängige Schriftsteller präsentieren ihre Werke der Welt, wollen gelesen werden. Längst werden nicht nur alltägliche Geschichten erzählt. Die Fantasie und Fiktion hält Einzug in die Welt der Kurzgeschichten.

So entstehen reizvolle literarische Häppchen für ein kurzes Lesevergnügen „zwischendurch“, Stoff zum (abendlichen) Vorlesen oder um die Zeit beim Warten zu überbrücken. Feine kleine literarische Geschichten für eine Pause vom Alltäglichen.

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Kurzgeschichten sind vielfältig und tiefgründig | Buchleserin der Buchblog

Ein Genre neu entdeckt

Dass dieses Genre eine Renaissance erfährt, ist aus meiner Sicht eine logische Konsequenz des allgemeinen Entwicklungsprozesses unserer Gesellschaft. Durch die tagtägliche Informationsflut, welche ungefiltert durch den unaufhörlichen Nachrichtenstrom im Netz auf uns einprasselt (ständige Eilmeldungen, Push-Benachrichtigungen usw.), und durch die aktive Nutzung der sozialen Medien sinkt nachweislich die Aufmerksamkeitsspanne eines großen Teils der digital-aktiven Menschen.
Diese gesunkene Aufmerksamkeitsspanne führt dazu, dass die Lesekompetenz sinkt. Mehr dazu hier.

Lange Texte, Newsartikel oder dicke Wälzer werden gemieden, lieber kurze Beiträge und Geschichten konsumiert. Bevorzugt digital, direkt auf dem Smartphone, da lässt es sich besser swipen (wegschieben, wischen), wenn man genug hat.

Doch genau hier sehe ich die Kraft und Macht der Kurzgeschichten. Durch die Kürze steigt die Motivation, den gesamten Text bis zum Ende durchzulesen. Das trainiert die Konzentrationsfähigkeit, steigert die Fähigkeit für ein tieferes Verständnis von Struktur und Handlung. Das Lesen längerer Texte erweitert das Vokabular und die Sprachkenntnisse. Kritisches Denken wird gefördert und die emotionale Intelligenz gestärkt.

Kurz gesagt, regelmäßiges Lesen von Kurzgeschichten bildet. Es hilft, neue Autoren und deren Geschichten zu entdecken, und macht nebenbei so richtig Spaß.

Also: Solltet ihr im Buchladen ein Regal mit Kurzgeschichten-Büchern von unbekannten Autoren entdecken, greift zu. Oder sucht direkt online danach, lest sie, rezensiert sie und teilt sie anschließend in euerer digitalen Blase. Damit beschert ihr euch einen besonderen Lesemoment und einer/einem unbekannten Autorin oder Autoren einen wahrhaftigen Glücksmoment!

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Renaissance der Kurzgeschichten

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