Die Robbenfrau
von Ava Sandström
Ein Sinnsuche-Roman in der rauen Natur der Färöer
Was bedeutet Familie für mich? Dieser Frage stellt sich die neunzehnjährige Kendra, nachdem sie ihr Elternhaus und ihre Heimatstadt im Streit fluchtartig verlässt.
Ohne Ziel fährt sie per Anhalter los und landet schließlich auf den Färöern, wo sie in einer von wilder Natur und dem unberechenbaren Wetter des Nordatlantiks geprägten Umgebung ein ganz neues familiäres Miteinander erfährt.
Schließlich ist des die sagenumwobene Statue der Robbenfrau, der Kendra seltsam zu gleichen scheint, die sie tief in die Mythen des Landes führt und ihr hilft, die eigene Herkunft neu zu bewerten.Eine Insel, geprägt von starken Frauen und geformt von Wellen und Wind, und die alles umfassende Legende der Robbenfrau …
Auszug des Klappentexts
Emanzipation, Liebe, Natur … ein Familienroman – nicht frei von Klischees, aber lesenswert.
Ein paar Worte vorweg
Der Roman die „Die Robbenfrau“ war ein Zufallskauf. Eigentlich war ich auf der Suche nach einer ganz anderen Geschichte, da erblickte ich das Cover. Es erregte sofort meine Aufmerksamkeit. Es kommt gänzlich ohne viel Pipapo aus. Keine aufwändige Motivspielerei, keine landestypischen Bilder. Reduziert, ansprechend, und es erzeugte sofort Bilder in meinem Kopf. Allerdings sagte mir die Autorin Ava Sandström gar nichts.
Wer steckt dahinter?
Ava Sandström ist ein Pseudonym. Dahinter verbergen sich die deutsche Autorin Alex Berg und ihr Ehemann. Gemeinsam bereist das Paar die Welt und findet so die Inspiration für seine Geschichten.
Ich muss ganz offen fragen: Warum braucht man ein Pseudonym? Das Buch ist weder inhaltlich grenzwertig noch von extremen handwerklichen Disharmonien begleitet. Warum steht das Paar nicht offen zu seiner Arbeit? Oder soll ein Pseudonym womöglich die Spannung erhöhen?
Dieser Effekt verpufft jedoch grandios, wenn man ohne großen Aufwand durch eine simple Netzrecherche den Schriftsteller entlarvt. 😉
Grundsätzlich muss ich festhalten, dass ich gern die kreativen Köpfe hinter der Geschichte kennen möchte. Bei mir fördert es weder die Spannung, noch übt es einen sonstigen Reiz aus, wenn sich der Autor hinter einem Pseudonym versteckt, da hilft auch nicht der nordische Anstrich des Namens.
Im Gegenteil! Es drängen sich eher sofort kritische Fragen in den Vordergrund: Ist der Schreibende nicht zufrieden mit der abgelieferten Arbeit und steht womöglich nicht hinter der Geschichte? Dient das Pseudonym als verkaufsförderndes Hilfsmittel? Lohnt es sich, das Buch „Die Robbenfrau“ überhaupt zu lesen? Mit diesen Fragen im Gepäck, starte ich nun in meine Buchbesprechung.
Familie, Emanzipation und neue Wege
Kendra ist die Teenagertochter einer gutsituierten Hannoveraner Familie, und endlich hat sie ihr Abi in der Tasche. Doch die ursprünglichen Zukunftspläne entwickeln sich nicht nach ihren Vorstellungen. Zusätzlich ist die Stimmung daheim mehr als frustrierend.
Daher tut sie das, was viele junge Erwachsene nach der Schule machen, sie nimmt sich eine Auszeit und geht auf Reisen. Allerdings „vergisst“ sie, ihre Eltern über diese Auszeit zu informieren und stellt sie damit vor vollendete Tatsachen. So kommt die Mutter des Abends nach Hause und die Tochter ist weg.
Kendras Spontantrip führt sie völlig überraschend auf die Färöer-Inseln. Dort in der Natur kann sie durchatmen, findet zu sich und lernt zügig das Land und die Färinger lieben. Doch lange bleibt es nicht beschaulich. Die Probleme sind durch die überstürzte Flucht nicht aus der Welt. Und so zieht der erwartbare Sturm auf und hat einige Überraschungen im Gepäck …
Ein Familiendrama vor malerischer Kulisse
Dass das Autorenpaar schriftstellerisch erfahren ist, bemerkt der Lesende sofort. Der Roman „Die Robbenfrau“ liest sich flüssig, und das Spiel mit den Worten tröstet über so manche Schwäche des Plots hinweg. Wirklich genussvoll sind die Landschaftsbeschreibungen zu lesen: Die schroffe und atmosphärische Natur der Färöer-Inseln. Diese ergänzenden Hintergrundinformationen über die Gegend, die Menschen und deren Lebensart haben mir geholfen, über manche sehr vorhersehbare Wendung und die fehlende emotionale Tiefe hinwegzusehen.
Zwar spürt man bei den Charakteren die jugendliche Frustration und die Verletzlichkeit von Kendra, die Verzagtheit und Verzweiflung der Mutter sowie die Wut und das ausgeprägte Ego des Vaters, dennoch schaffte es die Geschichte nicht, mich emotional komplett abzuholen.
Das Unvermögen der Familie zu kommunizieren wurde konsequent als zentrales Thema herausgearbeitet, wenn auch die Herangehensweise teilweise etwas zu stereotypisch war. Einige Szenen empfand ich als zu überspitzt dargestellt, und manche relevanten Nebenfiguren blieben hinter den Möglichkeiten eines gelungenen Sidekicks zurück, verdammt zur literarischen Farblosigkeit. Eine stärkere Fokussierung und eine bessere Dosierung hätten dem Plot gutgetan.
Trotz meiner kritischen Anmerkungen, welche sich wirklich am oberen Ende der Skala tummeln, muss ich zugeben, dass ich den Roman „Die Robbenfrau“ innerhalb kürzester Zeit durchgelesen habe. Und dies ist ein verlässlicher Indikator für eine kurzweilige Geschichte.
Das Spiel mit der erdachten Handlung und der Hintergrundgeschichte der Inseln, mit ihrer Sage und über das Leben der Färinger, hat mir in der Summe gefallen. Nur das Ende …
Tja, sicherlich eine konsequente Wendung in der Geschichte, aber trotzdem für mich nicht zufriedenstellend.
Mein Fazit
Der Roman „Die Robbenfrau“ hat mich überrascht mit viel Lokalkolorit, wunderschönen Beschreibungen der Natur und durch seine atmosphärische Stimmung. Das Buch stellt einen klassischen Familienroman dar und bietet – trotz aller Dramatik und Problematik – eine kurzweilige, stimmungsvolle und lesenswerte Geschichte.
Meine Bewertung
Hinweis: Keine bezahlte Werbung
ISBN: | 978-3-426-30859-2 |
Sprache: | Deutsch |
Ausgabe | Taschenbuch |
Seitenzahl | 400 |
Verlag | Droemer Taschenbuch |
Erscheinungsdatum: | 01.03.2024 |
Raue Natur, eine uralte Legende und ein Familiengeheimnis …