Die Bibliothek im Nebel

von Kai Meyer

Die Bibliothek im Nebel von Kai Meyer | Buchcover | Buchblog der Buchleserin

Ein Labyrinth aus Literatur und Schatten

Sankt Petersburg, 1917. Der junge Bibliothekar Artur flieht vor den Schergen der Revolution, im Gepäck ein Manuskript, das ihn retten soll – und die Leben vieler anderer bedroht. Sein Ziel ist Leipzig, die Stadt der Bücher. Im legendären Graphischen Viertel will er seine große Liebe Mara wiedersehen, die dem Sohn eines reichen Verlegers versprochen ist.
Cote d’Azur, 1928. Das Mädchen Liette findet auf dem Dachboden des Luxushotels Château Trois Grâces die vergessenen Reisekisten russischer Familien, die während der Revolution ermordet wurden. Darin entdeckt sie ein altes, mit einem Schloss gesichertes Buch.
Dreißig Jahre später beauftragt Liette, mittlerweile Direktorin des Hotels, den Gentleman-Ganoven Thomas Jansen, mehr über die ehemalige Besitzerin des Buchs herauszufinden – eine Russin namens Mara. Die Spur führt zu einem Bibliothekar, der vor Jahren nach Leipzig kam, zu einer verlassenen Villa am Meer und der geheimnisvollen Bibliothek im Nebel.

Auszug des Klappentexts

Ein packender Genre-Mix in der Welt der Bücher

Ein paar Zeilen vorweg.

Dass sich der Roman „Die Bibliothek im Nebel“ von Kai Meyer auf meinem Lesestapel wiedergefunden hat, ist ein kleines Wunder. Bekanntermaßen bin ich kein Fan von epischen Familien-Sagas und ebenso wenig von Geschichten aus der Epoche vom Ersten und Zweiten Weltkrieg. Umso mehr hat mich das Buch gereizt, denn der Autor ist bekannt als einer der bekannten Vertreter der deutschen Phantastik. Er vermag es, fast spielend leicht historische Ereignisse mit Mythen und Sagen zu kombinieren. Als Journalist, freier Autor und Drehbuchautor beherrscht er die Magie, mit Worten zu fesseln.

Die Erzählung

Die Geschichte „Die Bibliothek der Nebel“ wird über drei Zeitebenen an unterschiedlichen Spielorten erzählt. Der rote Faden des Romans sind die Bücher und die geheimnisvolle Mara.
Die Handlung beginnt im Jahr 1917 in der russischen Stadt Sankt Petersburg. Man lernt den jungen Bibliothekar Artur sowie dessen Familie kennen und begleitet ihn auf seiner beschwerlichen Flucht vor den Schergen der Revolution nach Leipzig. Auf der Suche nach Mara, seiner großen Liebe.

Cote d’Azur, 1928: Die elfjährige Liette verbringt gesundheitsbedingt viele Monate in Obhut ihres Onkels im familiären Luxushotel Château Trois Grâces. Die Saison ist vorbei, und das Hotel ist in den Schneewittchenschlaf versunken. Während der einsamen Streifzüge durchs Haus entdeckt sie auf dem Dachboden vergessenes Reisegepäck russischer Gäste von 1917. Neben hübschen Kleidern und mondänen Hüten findet sie ein mit einem Schloss gesichertes Buch und einen Mondstein. Instinktiv ahnt das Mädchen, dass ihr eigenartiger Onkel nicht der richtige Ansprechpartner für den Fund ist, und so wendet sie sich an ihren einzigen Vertrauten. Maxim ist ein fahrender Bibliothekar, teilt ihre Leidenschaft für Bücher und ist in ihrem isolierten Leben im Hotel ein wahrer Freund.
Wem haben die Sachen gehört, und warum wurden sie nie abgeholt? Welches Geheimnis verbirgt das gesicherte Buch?

Weitere dreißig Jahre sind vergangen, man schreibt das Jahr 1957, und Liette führt das Familienhotel. Die Erlebnisse aus ihren Kindertagen haben Spuren hinterlassen, sodass sie ein sehr zurückgezogenes Leben führt. Auf dem Nachbargrundstück steht die unbewohnte Villa der Verlegerfamilie. Liette überzeugt den ehemaligen Journalisten Thomas Jansen, gemeinsam die Erben der Nachbarvilla ausfindig zu machen. Warum hat sie ein solches Interesse an dem baufälligen Objekt, und was ist mit ihrem geheimnisvollen Fund vom Dachboden geschehen?

Ein wahres Genre-Potpourri

Zuerst muss man wissen, dass das Buch „Die Bibliothek im Nebel“ dieses Mal kein fantastischer Roman ist, und genau dies hat mich gereizt.
Schafft es ein Schriftsteller, der sich bevorzugt dem magischen Realismus verschrieben hat, ein Familienepos zu verfassen, das fern von allen mystischen Verflechtungen mitreißend und unterhaltsam zugleich ist?

Der Schreibstil spiegelt die langjährige Erfahrung und das Können des Autors wider. Er formuliert sprachlich akzentuiert. Die unterschiedlichen Erzählstränge geben den Figuren den nötigen Hintergrund, der Handlung Platz zur Entfaltung und die Möglichkeit, die historischen Elemente elegant mit dem Plot zu verweben.

Oftmals war ich am Ende eines Abschnitts »frustriert«, dass die Zeitebene wechselt, schließlich wollte ich gleich erfahren, wie es mit der jeweiligen Figur weitergeht. Und genauso soll es sein, dass man vor Faszination über die Geschehnisse das Buch kaum aus den Händen legen kann.

Der Roman „Die Bibliothek im Nebel“ ist eine atmosphärische Genremixtur aus Familiensaga, Kriminalroman, gewürzt mit einer Portion tragischer Liebesgeschichte und einer Prise Abenteuer.
Es freut mich, dass die Familiensaga in gewisser Weise nur den Rahmen der Handlung darstellt und die Wirrungen und Kriegsgeschehnisse der damaligen Zeit zwar korrekt behandelt werden, jedoch nicht den Fokus der Erzählung bilden. Ebenso erfrischend ist, dass die Liebesgeschichte, obwohl immer präsent, nicht das zentrale Motiv der Geschichte ist.
Worauf liegt dann der Schwerpunkt? Das ist die wahre Magie des Romans: Kai Meyer hat es geschafft, allen Genreausflügen – Familiensaga, Kriminal-, Abenteuer- und Liebesroman – gleiches Gewicht zu verleihen. Nichts ist dominant. Nichts überwiegt.

In dieser Mixtur wird die Krux der Geschichte verankert sein, denn dem Fan eines bestimmten Genres wird der jeweilige Part vermutlich zu wenig fokussiert sein.
Dazu kommt, dass am Ende einige zentrale Fragen nicht aufgeklärt werden. Aber ist das notwendig? Für manche Leser:innen ist das garantiert ein echtes Manko. Ich ziehe an dieser Stelle lieber den Vergleich zum wahren Leben: Man erhält nicht immer, was man will, und so werden viele Fragen des Lebens unbeantwortet bleiben.

Mein Fazit zum Werk

Das Buch „Die Bibliothek im Nebel“ erlangt definitiv eine Leseempfehlung von mir, denn obwohl es nicht meinen eigentlichen Lesepräferenzen entspricht, hat mich der Roman gefangen genommen.
Der Grund hierfür liegt in der Genremixtur und in den atmosphärischen Bildern, bei den differenzierten Figuren, wenn auch manche leider ein klein wenig unnahbar blieben. Ergänzt um die Erzählweise und die Beherrschung der Kunst, historische Geschehnisse mit der fiktiven Geschichte in drei Erzählsträngen miteinander zu verknüpfen. Das Buch ist kein fröhlicher Roman, dennoch sehr lesenswert.

Meine Bewertung

4 Sterne Bewertung der Buchleserin
Hinweis: Keine bezahlte Werbung
ISBN:978-3-426-22808-1
Sprache:Deutsch
AusgabeGebundenes Buch
Seitenzahl560
VerlagKnaur
Erscheinungsdatum:02.11.2023

Ein packender Genre-Mix in der Welt der Bücher

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