Eine halbe Ewigkeit

von Ildikó von Kürthy

"Eine halbe Ewigkeit" von Ildikó von Kürthy | Buchcover

Was ist aus uns geworden?

Ich bin auf der Flucht vor meinen Erinnerungen. Schoch seit einer halben Ewigkeit. Bis mir mein altes Tagebuch in die Hände fällt. Es hatte ein Happy End. Doch das Leben ging weiter.

Ich heiße Cora Hübsch, meine Kinder sind groß, und meine Ehe ist gebrechlich. Zu viel Alltag, zu wenig Abenteuer. Aber an diesem Wochenende spielt mein Leben verrückt: das vertauschte Kleid, die alte Schuld, die schemenhafte Gestalt auf dem Foto. Ist das Zufall? Oder eine letzte Chance?

Auszug des Klappentexts

Vergangenheit vs. Leben – ein berührendes Sequel von »Mondscheintarif«

Ein Wiedersehen mit Cora Hübsch

»Eine halbe Ewigkeit« von Ildikó von Kürthy ist die konsequente Fortsetzung des 1999 erschienenen Romans »Mondscheintarif«. Die Protagonistin ist eine Frau Anfang dreißig auf der Jagd nach dem Partner fürs Leben. Mit Witz und Ironie begleitet man Cora bei ihrer Suche und Selbstfindung. Es wird mit bekannten Klischees gespielt und die menschlichen Schwächen werden detailliert seziert. Die humorvolle und pointierte Schilderung trifft den Ton der damaligen Zeit, und der Roman stieg zum Bestseller auf.

Das Leben trifft auf Jugendträume.

Inzwischen sind ca. 25 Jahre vergangen, »Eine halbe Ewigkeit«. Aus Cora ist eine in der Realität angekommene Mittfünfzigerin geworden. Sie befindet sich in der festen Hand der Wechseljahre, und das Letzte ihrer drei Kinder verlässt das Haus. Zurück bleibt die Stille, und das niederschmetternde Gefühl der Nutzlosigkeit schleicht sich an. Über verschlungene Pfade findet das alte Tagebuch seinen Weg zu Cora. Damit halten die quälenden (Lebens-) Fragen Einzug. Vergangenheit trifft auf Realität. Träume auf Wünsche. Und so nimmt das Gedankenkarussell seine Fahrt auf.

Diagnose »Empty-Nest-Syndrom«

Die Idee, eine Fortsetzung zu verfassen, ist ein cleverer Schachzug. Oft fragt man sich nach dem Schließen der Buchdeckel, wie es über den möglichen Epilog hinaus weitergegangen wäre. Endlich bekommt man die Chance, es zu erfahren. Die Leserschaft ist gesichert, denn die Leser:innen sind mitgealtert. Sie werden sich in der Geschichte wiederfinden. Die Empty – Nest – Situation ist sicher bekannt sowie die Gedanken- und Gefühlswelten der unterschiedlichen Figuren.
Hier sehe ich die Gefahr für den Roman verankert. Wie kann die Gratwanderung gelingen, alle Leser:innen abzuholen? Jenen, denen das Empty-Nest-Syndrom fern ist, und denjenigen, denen es bisher (noch) nicht vergönnt war, über fünf Dekaden an Geburtstagen zu feiern?

Vor dem Lesen eines neuen Buchs erkundige ich mich über die Rahmenbedingungen des Plots, und daher wusste ich, dass Cora einige Jahre älter ist als ich. Zügig stellte sich heraus, dass mir nicht alle Probleme, denen sich Cora stellen muss, bekannt sind. Zum Glück! Denn das, was die Autorin über die Wechseljahre schreibt, liest sich wie Auszüge aus der gesammelten Wechseljahresfachliteratur, erschreckend und abschreckend. Aktuell kann (und möchte) ich mir nicht vorstellen, dass es extrem werden kann. Nur der Gedanke, dass die literarische Darstellung überspitzt und klischeebehaftet ist, lässt mich optimistisch in die Zukunft blicken. 🙂

Aus dem Vollen geschöpft.

Den Einstieg in die Geschichte habe ich gefeiert: Die Wortjonglage der Autorin. Die Betrachtung von Alltäglichem, über das kaum geschrieben wird, wie z. B. die Abhandlung über Coras gefühlsmäßiges Verhältnis zu einem Altpapiercontainer.

Mit dem Fortschreiten der Handlung gewann der emotionale Zug an Fahrt, und das positive Empfinden verflüchtigte sich. Es wandelt sich um in ein zunehmend frustrierendes und deprimierendes Gefühl. Ungefähr bei der Hälfte des Buchs traf mich der Gedanke, die Lektüre wegzulegen. Diese Vorstellung ärgerte mich, denn der Schreibstil ist großartig, doch die erzeugten Emotionen spiegeln nicht mein Wesen wider. Insofern ist davon auszugehen, dass das der Zeitpunkt wäre, an dem Leser:innen aus anderen Altersgruppen aussteigen könnten.
Inzwischen lege ich konsequent Bücher beiseite, wenn diese mich nicht erreichen. Schließlich gibt es dermaßen viele Geschichten, die ich gern genießen möchte, dass ich mich weigere, Lebenszeit an ein nicht passendes Buch zu verschwenden.
Wäre ich hier meinem Credo treugeblieben, hätte ich einige Lacher verpasst und ein Buch zu Unrecht mit wenigen Sternen versehen. Und ich habe gelacht, laut und herzlich. Die gefühlsbestimmte Beschaffenheit des Plots und der Handlungsverlauf hat zum Ende hin eine echte Kehrtwende hingelegt, sodass ich definitiv die Punktzahl erhöhen werde. Wirklich selten vermochte es eine Geschichte mich derartig fühlen zu lassen. Ich fieberte mit, schüttelte genervt den Kopf, war frustriert, träumte mit und tauchte ein.
Sollte das Sequel ebenfalls verfilmt werden, wie damals der »Mondscheintarif«, werde ich mir den Film ansehen. Schon allein wegen Erdal.

Schlussakkord

»Eine halbe Ewigkeit« ist eine Geschichte für die Generation X. Für Frauen, die am gleichen Punkt im Leben stehen wie Caro. Mitte fünfzig, die Kinder ausgezogen und an der Schwelle eines neuen Lebensabschnitts. Für sie wurde das Buch geschrieben. Jüngere Semester werden eher ein Problem mit der Handlung haben, weil sie sich nicht vollumfänglich identifizieren können. Trotz allem ist der Schreibstil wunderbar akzentuiert, unterhaltsam, und mir bereitete es letztlich Freude, das Buch zu Ende zu lesen.

Meine Bewertung

5-Sterne-Bewertung
Hinweis: Keine bezahlte Werbung
ISBN:978-3-8052-0101-8
Sprache:Deutsch
AusgabeGebundenes Buch
Seitenzahl320
VerlagROWOHLT Wunderlich
Erscheinungsdatum:05.12.2023

Die Krisen des Älterwerdens, und wie man sich dagegen wehrt.

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