Das Ministerium der Zeit

von Kaliane Bradley

Das Ministerium der Zeit von Kaliane Bradley - Buchcover | Buchblog der Buchleserin

Ein Sprung durch die Zeit

Eine junge Ministeriumsangestellte und ein verschollener Polarforscher verbringen einen heißen Sommer in einem Backsteinhaus in London. Er ist durch die Zeit gereist, sie soll ihm das Ankommen erleichtern. Doch je näher sich die beiden kommen, desto bedrohlicher wird die Welt um sie herum. Denn das Ministerium hat andere Pläne für ihre Zukunft. Kann ihre Liebe die Geschichte neu schreiben?

Auszug des Klappentexts

Ein aufwühlender Genremix zwischen Zeitreise, Thriller und Romanze

Fragen über Fragen

Wie wahrscheinlich ist es, dass Zeitreisen irgendwann möglich sind? Und wird es dann eine Institution geben, die diese Reisen nutzt, um weitergehende Ziele zu verfolgen, die nicht immer positiver Natur sind? Und was machen solche Zeitreisen mit den Betroffenen, wenn sie in einer völlig fremden Umgebung landen?

All diese Fragen stellten sich mir, als ich »Das Ministerium der Zeit« im Buchladen in die Hand nahm und den Klappentext las.

Die Frau hinter dem Ministerium

Kaliane Bradley ist Autorin und Lektorin und hat mit »Das Ministerium der Zeit« ihren ersten Roman veröffentlicht. Zuvor sind bereits Kurzgeschichten von ihr in verschiedenen Magazinen erschienen. Sie hat den Harper’s Bazaar Short Story Prize und den V. S. Pritchett Short Story Prize gewonnen. Kaliane Bradley lebt in London.

Ankunft in der Gegenwart

Commander Graham Gore befindet sich auf einer zum Scheitern verurteilten Arktis-Expedition im Jahr 1847 und erlebt mit, wie seine Kameraden einer nach dem anderen in der Eiseskälte umkommen. Ihm ist ein anderes Schicksal vergönnt: Er wird von einer geheimen Organisation aus dem 21. Jahrhundert in die Zukunft transportiert. Eine junge Angestellte des zuständigen Ministeriums wird ihm zur Seite gestellt, um ihm die Ankunft in der Gegenwart zu erleichtern.

Während sich der Commander und die namenlose Frau mit ihrer Situation arrangieren und dabei langsam näherkommen, hat das Ministerium andere Pläne mit Gore und einigen anderen so genannten »Expats«, Überlebenden aus weiteren vergangenen Epochen, die in die Gegenwart geholt wurden.

Die Ministeriumsangestellte kommt dem Treiben ihrer Vorgesetzten auf die Schliche. Und am Ende ist es ein Wettlauf gegen die Zeit und für ihre ungewöhnliche Beziehung zu dem Mann aus der Vergangenheit.

Die namenlose Angestellte und der verwegene Commander

Die Geschichte wird uns von der jungen Angestellten erzählt, deren Namen wir nicht erfahren. Sie sagt dies gleich zu Beginn: »Ich sage meinen Namen nie, nicht einmal im Kopf.« Warum, das weiß nur sie selbst. Dass diese kleine Eigenheit der Erzählerin ein Symptom für meine Lesebeziehung zu ihr werden könnte, ahnte ich da noch nicht. Im Ministeriumsjargon wird die Frau, wie auch ihre Kolleginnen und Kollegen, die die Expats betreuen, nur »Brücke« genannt.

Zwischen ihre Erzählung sind Kapitel eingestreut, in denen von der Franklin-Expedition berichtet wird, die erstmalig die Nordwestpassage befahren und erkunden sollte. Das Unternehmen endete in einer Katastrophe, alle Teilnehmer, unter anderem Lieutenant Graham Gore, kamen in der Arktis ums Leben. Graham Gore und die Expedition hat es wirklich gegeben.

Eine Reise ohne Jetlag

Im Buch »Das Ministerium der Zeit« entgeht er dem Tod und gelangt ins London des 21. Jahrhunderts. Seine Integration ins hektische Leben der Gegenwart und der Millionenstadt gelingt auch dank der Angestellten des Ministeriums recht schnell und problemlos. Natürlich setzen ihn die Veränderungen, die mehr als 170 Jahre mit sich bringen, zu Beginn in Erstaunen, und seine bärbeißige, störrische Art führt zu einigen witzigen Momenten im Zusammenleben mit seiner Betreuerin. Doch schon bald ist er ein Bewohner der Gegenwart. Mir ging das ein bisschen zu geschmeidig, und gerade die Herausforderungen der Neuzeit für einen Bewohner des von Männern geprägten 19. Jahrhunderts und sein Widerwillen hätten Potenzial für mehr Reibereien und unvorhersehbare Ereignisse sein können.

Da dieser Prozess des Ankommens so schnell vonstattenging, mündete der Plot schon nach dem ersten Viertel in einer langen Reihe von Kapiteln, in denen nicht sehr viel Spektakuläres passiert. Drangeblieben bin ich trotzdem. Im Hintergrund schlummerte immer noch die unerwartete Wendung.

Liebe zwischen den Zeiten

Die Beziehung zwischen der Erzählerin und Graham Gore ist von Beginn an von Zugewandtheit geprägt, zuerst von fast geschäftlichem Charakter, dann freundschaftlich. Es dauert eine Weile, bis beide ihre Hemmungen überwinden und der Liebe eine Chance geben. Das ist anfangs etwas holprig, aber nachvollziehbar und mündet schließlich in einer gemeinsamen Nacht miteinander. Viel möchte ich dazu nicht verraten, aber ich habe noch nie eine so seltsam beschriebene Liebesszene gelesen.

Das schnelle Ende

Nach etwa drei Vierteln des Buchs wurde ich dann doch ungeduldig, weil der Spannungsbogen abzusacken drohte. Die Autorin hat hinsichtlich Spannung noch die Kurve gekriegt: Die oben genannte Bedrohung entpuppt sich als reale Gefahr für das ungewöhnliche Paar, und die junge Frau muss alle Register ihres Könnens ziehen, um sich und ihren Partner lebend aus der Gefahrenzone zu bringen. Hier wird aus dem Zeitreiseroman mit der eingeflochtenen Liebesgeschichte auf einmal ein spannender Thriller.

Der Showdown kommt tatsächlich genauso schnell wie er wieder vorüber ist. Ich möchte das Ende nicht spoilern. Die Ereignisse am Ende waren für meinen Geschmack zu hektisch und knapp heruntergeschrieben, und es einige logische Lücken, unter anderen: Wie können die beiden Hauptdarsteller ohne Weiteres in ein hochgesichertes Gebäude eindringen?

Sprache, Stil und Fehler

Über Fehler lese ich normalerweise hinweg, ohne sie zu bemerken, umso mehr, wenn mich das Buch fesselt. Das Potenzial dazu hat »Das Ministerium der Zeit«. Die Anzahl an Fehlern in der deutschen Ausgabe ist jedoch ungewöhnlich hoch, und so stolperte ich beim Lesen permanent über gravierende Fehler, die meinen Lesefluss störten. Beispiel, Seite 213:

»Der Knabe hinter dem Tresen hat sich so viel Mühe [ge]geben, dass ich annehme, es handelt sich um eine[n] Zaubertrank, dessen Nomen Omen ist.«

Der Satz offenbart auch den teilweise gestelzten Schreibstil der Autorin, der nicht nur in der direkten Rede vorkommt (wo er durchaus seinen Sinn machen kann). Die ganze Erzählung ist angefüttert mit zahllosen Metaphern, die es an vielen Stellen einfach nicht braucht. Manche Sätze sind so verschachtelt und konfus, dass es mich nicht wundert, darin die nächsten Grammatikfehler zu finden. Zu viel gewollt.

Egal, ob diese Qualität ihre Ursache bei der Autorin hat oder der Übersetzung geschuldet ist. Bei einem Buch dieses Formats, Preises und dem Lob, das man auf der Buchrückseite findet, ist das Ergebnis einfach weit weg von einem Werk, das bejubelt werden muss.

Mein Fazit

»Das Ministerium der Zeit« von Kaliane Bradley ist ein Roman für Liebhaber von Zeitreiseromanen, die das Thema tatsächlich einmal aus einer neuen Sichtweise erleben möchten. Der Roman ist schwer einzuordnen und bewegt sich zwischen Zeitreiseroman mit historischen Einschüben und leichten romantischen Ansätzen und Science Fiction und Thriller. Das macht ihn für manche Leser*innen eventuell schwer greifbar.

Nach einigen Längen folgt das Ende etwas zu schnell, einige Antworten wären dort gut platziert gewesen. Für eine Verlagsveröffentlichung enthält das Buch zu viele Fehler. Stil und Sprache waren mir etwas zu sperrig und verkopft. Wenn die Erzählerin von der Autorin als Nerd dargestellt werden sollte, dann ist ihr das gelungen. Mir war die junge Frau zu unterkühlt und technisch und damit kein Sympathieträger.

Meine Bewertung

3-Sterne-Bewertung der Buchleserin
Hinweis: Keine bezahlte Werbung. 
Coverabbildung: © Penguin Verlag, verwendet im Rahmen der Buchbesprechung
ISBN:978-3-328-60353-5
Sprache:Deutsch
AusgabeGebundenes Buch
Seitenzahl384
VerlagPenguin Verlag
Erscheinungsdatum:23.04.2025
Fediverse-Reaktionen

Eine wundervolle neue Zeitreiseidee mit einigen Schwächen

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