Noch fünf Tage

von Andrea Fischer Schulthess

»Noch fünf Tage« von Andrea Fischer Schulthess - Buchcover | Buchblog der Buchleserin

Ein Roman über Familien, Schweigen und Selbstbestimmung

Amanda hat sich in der Gegenwart noch nie wohlgefühlt. Als Kind hat sie bereits an ihre Beerdigung gedacht, und nun als Erwachsene lebt sie in der Vergangenheit. Sie ist eine ewige Außenseiterin, die versucht, sich irgendwie einzufügen. Doch mit jedem vergangenen Jahr wird sie müder. Nun hat sie entschieden, diese Welt zu verlassen. Ihr bleiben noch fünf Tage – Tage, die sie versunken im Kaninchenbau ihrer Erinnerungen verbringen möchte. Doch das Leben will sie nicht so einfach loslassen und zwingt sie ins Hier und Jetzt zurück. Plötzlich bringt jeder neue Tag eine neue Enthüllung, und schon bald wird ihr klar, dass ihr gesamtes Selbst auf Lücken, Lügen und einem Familiengeheimnis aufgebaut ist. Amandas sorgfältig vorbereiteter Abgang und ihr ganzes Fühlen und Sein sind plötzlich infrage gestellt.

Auszug des Klappentexts

Fünf Tage, ein Entschluss und was das Leben bereithält

Kurz vorweg

Den Roman »Noch fünf Tage« durfte ich mir aus dem Herbstprogramm des Pendragon Verlags aussuchen. Beim Lesen des Klappentextes ahnte ich schon, dass das Buch keine leichte Kost darstellen würde. Doch das reizte mich, und zudem wollte ich unbedingt wissen, wie eine Schriftstellerin, die auf ihrem offiziellen Autorenfoto fast trotzig lebensbejahend in die Kamera blickt, einen solchen schweren Stoff literarisch angeht. Los geht’s …

Die Autorin

Den Roman »Noch fünf Tage« hat die 1969 in Zürich geborene Autorin Andrea Fischer Schulthess verfasst. Sie studierte Zoologie an der Universität Zürich, bevor sie sich dem Journalismus zuwandte und die renommierte Ringier Journalistenschule absolvierte. Im Laufe ihrer Laufbahn schrieb sie für verschiedene Medien, bevor sie sich zunehmend dem Kulturbereich zuwandte. Seit 2019 ist sie künstlerische Leiterin des Millers in Zürich und steht dort auch regelmäßig selbst auf der Bühne. Ihr literarisches Debüt gab sie 2016 mit dem Roman »Motel Terminal«. Gemeinsam mit ihrer Familie lebt sie in Zürich.

Wenn das Leben angezählt ist

Amanda. Ehefrau, Mutter eines volljährigen Sohnes und ewige Außenseiterin. Von außen betrachtet, sieht man eine Buchhändlerin in den besten Jahren, doch könnte man in ihr Inneres schauen, würde man eine Frau entdecken, die sich ihr Leben lang wie ein unangemeldeter Gast im eigenen Haus, in ihrer Familie und in ihrem eigenen Dasein fühlte. Daher plant sie nun, genau wie ihre Mutter und ihre Großmutter, sich selbststimmt aus dem Leben zu verabschieden. »Noch fünf Tage« und ewige Ruhe. Sie hat alles genau geplant: Der Abschiedsbrief ist geschrieben, das Wie ist vorbereitet, und der Entschluss zum Abgang scheint unumstößlich in ihrem Willen manifestiert zu sein.

Doch das Leben hat seine eigenen Regeln: Der Großvater, einst der liebevolle Halt in ihrem Leben, wandelt sich über die Jahre zu einem verbitterten alten Mann, ist inzwischen pflegebedürftig und reist mit düsteren Familiengeheimnissen im Gepäck.
Eine überraschende Wendung im Leben des geliebten Sohns und die unerwartete Ankunft des alten Manns in Amandas Haus wirbeln ihre sorgfältigen Pläne mächtig durcheinander: Jeder neue Tag bringt neue Enthüllungen, die tief in die Vergangenheit führen und das Fundament ihrer Existenz ins Wanken bringen.

Am Abgrund

Wie eingangs bereits erwähnt, war mir klar, dass die Geschichte »Noch fünf Tage« ein krasser Ritt durch die Seiten wird. Was zunächst nach einem melancholischen Familienroman einer lebensmüden Frau wirkt, entpuppt sich nach und nach als wahrer Psychokrimi: Fast behutsam entfaltet sich eine äußerst beklemmende innerliche und äußerliche Hölle, die die Lesenden in einen fiebrigen Rausch zieht.

Liebe Leser*innen, um mehr über das Buch zu erzählen, muss ich jetzt leider etwas spoilern, daher ggf. den verborgenen Absatz einfach überlesen:

Die Autorin hat ihrer Hauptfigur Amanda kein leichtes Päckchen geschnürt. Sehr eindrucksvoll wurde die depressive Seele ihrer suchtkranken Protagonistin herausgearbeitet. Gequält von ihren Ängsten und Zweifeln, geplagt von einer tiefgehenden Einsamkeit, verzehrt von einer unbeschreiblichen Kraft- und Machtlosigkeit über ihren eigenen Zustand, gepaart mit der ständigen Flucht ins Vergessen, dank Unmengen von Tabletten und Alkohol. Dieser Frau stellt sie einen ständig abwesenden Mann zur Seite, der den Kampf um seine Ehefrau längst verloren sieht. Nur ihr Sohn Benjamin bleibt ein leuchtendes Licht in einem Leben, das zunehmend im Nebel aus Alkohol und Tabletten, Angst und innerer Leere versinkt.

Fünf Tage und …

Der Roman »Noch fünf Tage« gestaltet sich zu Beginn wie ein schwermütiges Kammerspiel. Im Fokus der Erzählung stehen die Frauen der Familie von Amanda Meijer. Den Roman hat die Autorin in drei Teile gegliedert, und in jedem nimmt man teil am mühevollen Leben von Amanda. Zusätzlich darf der Lesende zurückblicken ins Leben der Großmutter Hermine mit ihrem Mann Alois und lernt deren Tochter Joséphine, Amandas Mutter besser kennen. Man versteht schnell, was hier wirklich gespielt wird, und darf Amanda bei ihrem Straucheln durchs eigene Leben begleiten. Wie gern möchte man sie an die Hand nehmen, ihr erklären, was vor ihrem Blick verborgen liegt, sie beschützen und ermutigen, sich von den Nebeln zu verabschieden.

Die Figurenzeichnung im Roman ist stark. Jede Person hat ihren Platz auf dem Spielfeld in Amandas traurigem Leben und füllt diesen durch eine feingezeichnete Charakterdarstellung aus. Kaum eine Figur wurde so angelegt, dass man sie uneingeschränkt sympathisch finden kann, aber dieses Spiel mit den menschlichen Wesenszügen und geheimnisvollen Abgründen entwickelt ein enormes Suchtpotenzial auf den Lesenden – nicht nach Alkohol oder Drogen, sondern nach dem nächsten Kapitel.

Das Zitat von Simone Meier auf der Buchrückseite verrät es: »Ein Psychokrimi, der sich zunächst als melancholischer Familienroman einer lebensmüden Buchhändlerin tarnt. Doch nach und nach entfaltet sich eine kranke Hölle und macht die Lektüre zu einem fiebrigen Rausch. Wie gerne hätte ich die Vorstellungskraft dieser Autorin!«

Und dem ist fast nichts hinzuzufügen, außer, dass das Buch sicher einige Leser*innen verstören könnte, da es so direkt und atmosphärisch dicht erzählt ist. »Noch fünf Tage« ist ein Roman, der unter die Haut geht. Schicht um Schicht legt die Erzählung das Unausgesprochene frei: rau, eindringlich und ohne Schonung. Zurück bleibt ein Lesender in einer ambivalenten Gefühlslage: Schock, Unglaube, Traurigkeit. Die Geschichte ist kraftvoll erzählt, sie wird polarisieren, und genau das soll sie auch. Denn sie lässt einen nicht so schnell wieder los.

Mein Resümee

Der Roman  »Noch fünf Tage« von Andrea Fischer Schulthess ist eine Geschichte, die durch eine melancholische Grundstimmung geprägt ist, die sich nach und nach zu einem intensiven Psychokrimi entwickelt. Kraftvoll erzählt, unangepasst und eine emotional beklemmende Story, die einen nicht so schnell wieder loslässt.

Meine Bewertung

5-Sterne-Bewertung
Hinweis: Werbung - Rezensionsexemplar | Lieben Dank an den Pendragon Verlag für das Leseexemplar!
ISBN:978-3-86532-912-7
Sprache:Deutsch
AusgabeTaschenbuch
Seitenzahl272
VerlagPendragon
Erscheinungsdatum:03.09.2025
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Fünf Tage, ein Entschluss und …

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