Café Leben
von Jo Leevers
Jeder Mensch hat eine Geschichte, die es lohnt, erzählt zu werden.
Notizblock, Formular, Diensthandy. Akribisch richtet sich Henrietta an einem Tisch im Café der Rosendale-Krebsambulanz ein und wartet auf ihre erste Klientin. Da Henrietta jegliche Sentimentalität früh aus ihrem Leben gestrichen hat, ist sie wie gemacht für den neuen Job: Sie soll die Lebensgeschichte todkranker Menschen aufschreiben.
Auszug des Klappentexts
Nach einigem Zögern tritt die 66-jährige Annie an Henriettas Tisch. Sie möchte ihre Geschichte erzählen – nicht als Erinnerung für ihre Nachkommen, sondern um zu vergessen. Schnell durchschaut Henrietta, dass an Annies Erzählungen etwas nicht stimmen kann. Um Annies Leben zu verstehen, muss Henrietta etwas tun, was sie noch nie zuvorgetan hat: ihre eigene Geschichte erzählen. Sie ahnt nicht, was sie damit in Bewegung setzt …
Ein stiller Roman über eine ungewöhnliche Freundschaft und das, was am Lebensende bleibt – leise melancholisch, aber packend erzählt.
Bevor es losgeht
Die gebundene Ausgabe des Romans »Café Leben« von Jo Leevers lag schon länger auf meinem Stapel ungelesener Bücher. Gekauft habe ich es, weil mich das Buchcover ansprach – und der Zusatz »Jeder Mensch hat eine Geschichte, die es lohnt, erzählt zu werden.« versprach Raum für eine kreative und vielschichtige Erzählung. Ob das Buch diesem Versprechen gerecht wird, lest ihr jetzt …
Die Frau hinter der Geschichte
»Café Leben« ist der Debütroman von Jo Leevers. Die Autorin stammt aus London, wo sie auch aufgewachsen ist. Sie arbeitet als Journalistin und schreibt unter anderem für renommierte Magazine wie The Guardian, The Observer, The Telegraph, World of Interiors und Living, mit einem besonderen Fokus auf Interior Design. Heute lebt sie mit ihrem Mann und der gemeinsamen Hündin Lottie im südenglischen Kent. Ihre beiden Kinder sind inzwischen erwachsen.
Im April 2024 erschien ihr neuestes Werk »In den Augen meiner Mutter«, und im Juli 2025 folgte die Taschenbuchausgabe.
Zu Besuch im Café Leben
Henrietta führt ein zurückgezogenes Leben und arbeitete unter anderem kurzzeitig in einer wissenschaftlichen Bibliothek, wo sie ihrem Hang zur Ordnung und ihrem Faible für Routinen nachgehen konnte. Doch ein ungeplanter Jobwechsel führt sie an einen ungewöhnlichen Ort: eine Stelle in einem Hospiz. Dort soll sie im Rahmen des Projekts Lebensbuch die Geschichten sterbenskranker Menschen aufschreiben.
Dabei begegnet sie Annie – eine eigenwillige, schlagfertige Frau mit einer Vergangenheit, die sich nicht leicht fassen lässt. Während Henrietta versucht, Annies Geschichte in Worte zu fassen, kommen nicht nur überraschende Wendungen ans Licht – auch sie selbst wird gezwungen, sich ihrer eigenen Vergangenheit zu stellen.
So werden die Gespräche der beiden Frauen bald mehr als bloße Dokumentation: Sie fordern Henrietta heraus, verdrängte Erinnerungen und alte Wunden neu zu betrachten.
Im Laufe der Wochen entsteht zwischen den ungleichen Frauen eine besondere Verbindung, die beider Leben in Bewegung bringt – und nach und nach Heilung und Veränderung möglich macht.
Der Sound des Cafés
Jo Leevers erzählt die Geschichte des Romans »Café Leben« in leisen Tönen und einem Hang zu akzentuierten Zwischentönen. Ihre Sprache ist unaufgeregt und klar, ohne kühl zu wirken – sie lebt von kleinen Beobachtungen, deutlichen Formulierungen und einer unaufdringlichen Emotionalität. Die Autorin setzt nicht auf große Dramatik, sondern lässt die Entwicklung ihrer Figuren in schwierigen Momenten sichtbar werden.
Die Hauptfigur Henrietta ist vielschichtig angelegt: eine Frau, die Ordnung liebt und sich in festen Routinen sicher fühlt, dabei aber nie klischeehaft überzeichnet wird. Ihre vorsichtige Annäherung an die Welt und die Menschen um sie herum wird sensibel und glaubwürdig erzählt.
Ebenso wirkt der Charakter von Annie authentisch – kantig, warm, mit Ecken und Brüchen. Leevers gelingt es, auch diese zentrale Figur mit Leben zu füllen, ohne alles auszuformulieren. Vieles bleibt unausgesprochen, wirkt gerade dadurch umso stärker. Die weiteren Nebenfiguren sind eher unscheinbar. Durch ihr erzählerisches Feingefühl schuf die Autorin glaubwürdige Nebendarsteller, die sie unaufdringlich in die Handlung einbettete.
Erzählerisch bleibt der Roman nah an seinen Figuren und schafft eine stille, oft melancholische Atmosphäre. Themen wie Verlust, Erinnerung, Nähe und Selbstvergebung durchziehen die Geschichte, ohne überladen zu wirken. Es ist ein ruhiges Buch mit emotionaler Tiefe – getragen von einer Sprache, die nicht glänzen will, sondern leise berührt.
Das Fazit
Mich hat der Debütroman »Café Leben« von Jo Leevers trotz seiner melancholischen Grundstimmung richtig gepackt – ich habe das Buch in kürzester Zeit ausgelesen. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung, und ihr zweiter Roman wandert direkt auf meine Leseliste. 😊
Meine Bewertung

Hinweis: Keine bezahlte Werbung.
Coverabbildung: © DROEMER, verwendet im Rahmen der Buchbesprechung | Rezension
| ISBN: | 978-3-426-28280-9 |
| Sprache: | Deutsch |
| Ausgabe | Gebundenes Buch |
| Seitenzahl | 320 |
| Verlag | Droemer |
| Erscheinungsdatum: | 02.11.2022 |
Zwei Frauen, eine Begegnung – berührend und kraftvoll.

