No Alternative
von Dirk Reinhardt
»Wir können uns nicht ewig damit herausreden, dass die anderen auch nichts tun. Dann ändert sich nie etwas.«
Emma Larsen hat sich entschieden, etwas zu tun, um unseren Planeten zu retten. Die mutige junge Aktivistin ist bereit, dafür alles zu riskieren. Nachdem ihr Freund bei einer aufsehenerregenden Kampagne gegen den Pharmakonzern PLS zu Tode gekommen ist, schließt sie sich NO ALTERNATIVE an und geht in den Untergrund. Eine halsbrecherische Aktion auf der Spitze des Frankfurter Messeturms macht die radikale Umweltschutzorganisation in der Öffentlichkeit bekannt. Doch das ist erst der Anfang …
Auszug des Klappentexts
Klimakampf mit kleinen Schwächen – ein wichtiger Jugendroman mit Luft nach oben
Die Aufmachung, der Grund, warum ich das Buch in die Hand nahm
Der Roman »No Alternative« von Dirk Reinhardt fiel mir im vergangenen Oktober auf meinen Streifzügen über die Frankfurter Buchmesse ins Auge. Das schwarze Cover mit den grellen grünen und gelben Buchstaben und der unglücklichen Sonne ist schon sehr außergewöhnlich. Das Design setzt sich auch auf dem farbigen Buchschnitt fort. Mit relativ einfachen, aber drastischen Merkmalen vermittelt die Optik das wichtige Thema Klimakrise sehr eindringlich.
Kurzum: Bei der Gestaltung haben die Grafiker einiges richtig gemacht. Der Klappentext bestätigte dann meinen Verdacht und ließ mich das Buch kaufen.

Der Autor
Dirk Reinhardt, Jahrgang 1963, hat bereits einige Romane veröffentlicht. Seine Werke »Train Kids« und »Über die Berge und über das Meer« richten sich vor allem an das jugendliche Publikum und waren für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Für »Perfect Storm«, einen Cyber-Thriller, hat Dirk Reinhardt im Jahr 2022 den Friedrich-Glauser-Preis für den besten Jugendkrimi erhalten. Seiner Tätigkeit als Schriftsteller geht ein Studium in Geschichte und Germanistik sowie die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Münster voraus, außerdem seine Arbeit als freier Journalist.
Kompromisslos fürs Klima
Zentrale Figur in Dirk Reinhardts Roman »No Alternative« ist Emma, eine junge Aktivistin. Der Roman startet mit ihrer selbstmörderischen Aktion auf dem Frankfurter Messeturm und zeigt uns gleich zu Beginn, wie kompromisslos sich Emma für ihre Überzeugungen einsetzt. Klimaschutz um jeden Preis und das Wachrütteln der Gesellschaft stehen bei ihr im Fokus. Der Tod ihres Freundes bei einer Aktion gegen einen Pharmakonzern hat sie zutiefst erschüttert und ihrer Motivation, etwas fürs Klima zu tun, zusätzlichen Antrieb gegeben. Sie schließt sich »No Alternative« an, einer radikalen Umweltorganisation, die aus dem Untergrund heraus spektakuläre Aktionen plant und durchführt, die für die notwendige Aufmerksamkeit für das Thema Klimaschutz sorgen sollen. Die Kompromisslosigkeit, mit der vor allem die Anführerin Valerie vorgeht, zieht Emma in ihren Bann. Als sie aus Unachtsamkeit ihr Gesicht vor einer Überwachungskamera offenbart, muss sie vollends abtauchen.
Im zweiten Erzählstrang erleben wir Finn, der Emma von früher kennt und im Rahmen eines Praktikums bei einer Zeitung über die Klimaaktivistin berichten soll. Er heftet sich an ihre Fersen, begegnet ihren Weggefährten, deckt Hintergründe und Motivationen der Gruppe rund um »No Alternative« auf. Schließlich gelangt er auf seiner Suche sogar nach Indien, wo er Emma angeblich finden kann.
Der Aufbau und seine Bruchstellen
Der Einstieg ins Geschehen, in Emmas emotional aufgeladene Gefühlswelt, ist dem Autor gelungen. Die Szene auf dem Messeturm zog mich sofort in den Bann, so dass ich wissen wollte, wie es mit der jungen Aktivistin weitergeht. Im weiteren Verlauf offenbart sich mehr und mehr von Emmas Verzweiflung und Zerrissenheit, für die vor allem der Tod ihres Freundes mitverantwortlich ist. Dabei ist Emma keine gnadenlos radikale Terroristin, die kaltblütig den Tod anderer Menschen für die Sache in Kauf nehmen würde. Sie brennt für den Schutz des Planeten und steht hinter den Plänen und Aktionen, die »No Alternative« durchführt. Dennoch spürt man die Verletzlichkeit und den Zweifel, ob das, was sie tut, das Richtige ist und zum Richtigen führt.
Um die Radikalität der Gruppierung zu unterstreichen, sind zwischen die Kapitel Abschnitte des Manifests von »No Alternative« eingestreut. Diese sind tatsächlich frei von Entgegenkommen und Kompromissbereitschaft. Für den Schutz des Klimas und des Planeten kennt die Organisation nur ein »Wir« und »Die«.
Finns Part, der im regelmäßigen Wechsel mit Emmas Geschichte kapitelweise erzählt wird, beleuchtet den Weg der jungen Frau eher aus einer berichtenden Perspektive. Finn steht Emma auf gewisse Weise nahe und verfolgt ihren Weg auch aus eigenem emotionalem Antrieb als alter Freund und Bekannter. Er ist getrieben davon, Emmas Beweggründe zu verstehen und auch seinen Auftraggebern bei der Zeitung und somit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und damit Verständnis für die Umweltorganisation zu entwickeln.
Wichtiges Thema, anders verpackt
Etwas „Technisches“ muss ich anmerken, das mich beim Lesen irritiert hat: Finns Teil des Romans ist aus der Ich-Perspektive geschrieben, Emmas Geschichte in der dritten Person. Das finde ich völlig in Ordnung, da es die beiden Erzählstränge gut unterscheidet. Allerdings ist Emmas Part im Präsens (Gegenwartsform) verfasst, so als geschähen die Dinge um sie herum gerade jetzt, während Finns Bericht in der Vergangenheitsform geschrieben ist. Man gewöhnt sich als Leserin daran, allerdings finde ich diese zusätzliche stilistische Trennung der beiden Erzählebenen erstens überflüssig und zweitens falsch in der Zuordnung.
Der Buchmarkt ist voll von Romanen, die sich dem Thema Klimawandel und Klimaschutz widmen. Da ist es schwer, eine spannende Geschichte zu platzieren, die sich dem Geschehen von einer frischen, unverbrauchten Seite nähert. Ich habe ja bereits den Ökothriller »CO2 – Welt ohne Morgen« von Tom Roth auf meinem Blog empfohlen, mit dem sich »No Alternative« hier messen lassen muss.
Dirk Reinhardt gelingt es wie Tom Roth, die emotionale Komponente herauszuarbeiten. Er stellt die Wut und den Antrieb der jungen Menschen angesichts der Tatenlosigkeit der politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen für die Umweltsünden dar. Demgegenüber stehen ihre Verzweiflung und die Überlegungen, welche Mittel zur Erreichung einer Veränderung noch angemessen sind.
Abgesehen von diesem Zwiespalt und den wenigen spannungsgeladenen Aktionen von »No Alternative« bietet das Buch allerdings wenig Ankerpunkte, an denen ich einen packenden Roman festmachen könnte. Mit Emmas Geschichte gibt es durchaus einen roten Faden mit einigen wichtigen Ereignissen. Trotzdem passiert mir in dem Buch zu wenig, um es zu einem packenden Öko-Thriller zu machen. Die eingestreuten Fakten und Zahlen sind wichtig und werden den Leserinnen und Lesern bestimmt hier und da noch nicht begegnet sein. Auch das Manifest liest sich radikal und hätte in der Realität einen Aufschrei in der Bevölkerung zur Folge. Für ein Aufrütteln wird das beim jungen Publikum, das in »No Alternative« eventuell auf Neues stoßen möchte, wahrscheinlich nicht sorgen.
Mein Fazit
Wie ich es bereits in der Rezension zu Wolfgang Schorlaus »Black Forest« geschrieben habe: Mir liegen Klima- und Umweltschutz sehr am Herzen, und ich bin immer auf der Suche nach bewegenden Geschichten, die die Thematik mit dem notwendigen Ernst und Tiefgang angehen, ohne plump mit dem erhobenen Zeigefinger die immer gleichen Phrasen zu wiederholen.
Der Ansatz, dies in einen Coming-of-Age-Roman zu packen, um (auch) die jungen Menschen für das Thema zu begeistern, finde ich wichtig, und ich zolle Dirk Reinhardt meinen ganzen Respekt für diese Arbeit. Die Beleuchtung von zwei Perspektiven aus verleiht dem Roman einen größeren Reiz. Es fehlt jedoch über viele Seiten hinweg der große Aha-Effekt, der den Plot griffig macht und das Buch zu einem Page-Turner hätte machen können.
Meine Bewertung

Hinweis: Keine bezahlte Werbung.
ISBN: | 978-3-8369-6295-7 |
Sprache: | Deutsch |
Ausgabe | Paperback |
Seitenzahl | 320 |
Verlag | Gerstenberg-Verlag |
Erscheinungsdatum: | 24.06.2024 |
Ein Buch wie ein Protestplakat