Ein Jahr hinterm Deich

von Katja Haase

Ein Jahr hinterm Deich von Katja Haase - Buchcover | Buchblog der Buchleserin

Nordseeluft und weiter Himmel. Eine Rückkehr. Ein Neuanfang.

Nach überstandener Krankheit zieht Elli Markwort mit Anfang fünfzig zurück an die Nordseeküste. Doch mit dem Idyll ihrer Kindheit hat Katharinensiel nicht mehr viel gemein: Der unendliche Himmel über Ostfriesland ist grau, durch das Häuschen hinterm Deich zieht der Wind – und dann sind da noch die bockigen Schafe ihrer betagten Vermieterin Käthe Reents, um die sich Elli kümmern soll. Erst als sie sich der örtlichen Selbsthilfegruppe anschließt, bessert sich ihre Stimmung. Mit der patenten Taalke, Vogelfreund Bernd und dem schrulligen Gruppenleiter Onno hat sich hier eine bunte Truppe ostfriesischer Urgesteine versammelt. Wenn da nur nicht der missmutige, leider sehr attraktive Tierarzt Ahrend wäre, der so gar nichts für Großstädterin Elli übrigzuhaben scheint …

Auszug des Klappentexts

Ein Buch wie eine gute Tasse Tee an einem verregneten Sonntag – wohltuend und unaufgeregt.

Bevor wir beginnen

Der Roman »Ein Jahr hinterm Deich« von Katja Haase spielt an der Nordsee – und ich liebe das Meer. Aufmerksam auf das Buch wurde ich aufgrund seines Covers – Meeresblau und mit feinen stilisierten Zeichnungen, ganz nach meinem Geschmack.

Der Klappentext versprach einen unaufgeregten Roman nach bekanntem Schema vor herrlicher Kulisse. Am Tag des Buchkaufs war Himmel grau verfärbt, der Urlaub an der See längst vorbei und die alltäglichen Nachrichten fern wohltuender Berichterstattung … ich war sowas von bereit, abzutauchen in eine zauberhafte Nordsee-Geschichte.

Ein Blick auf die Autorin

Die Autorin erblickte in Jever das Licht der Welt. Ihre Eltern stammen aus Ostfriesland, und so war es ihr vergönnt, in ihrer Kindheit die Sommer bei ihrer Großmutter an der Nordsee zu verbringen. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Hamburg und arbeitet als Autorin, Übersetzerin und Lektorin.
„Ein Jahr hinterm Deich“ ist das zweite Buch der Autorin, und in diesem erhielt ihre zweite Heimat eine Hauptrolle. Und ganz nebenbei spendierte sie der Vita ihrer Romanfigur Elli Markwort ein paar Parallelen aus ihrem Lebenslauf.

»Ein Jahr hinterm Deich«

Elli Markwort kehrt mit Anfang fünfzig zurück an die Nordsee. Mit Katharinensiel verbindet sie wundervolle Kindheitserinnerungen. An Sommer voller Liebe und Wärme im Haus ihrer leider viel zu früh verstorbenen Großmutter. Für Elli der perfekte Ort um zu heilen, von einer überstandenen schweren Erkrankung und einer unschönen Trennung.
Doch mit dem Idyll ihrer Kindheit hat der Ort von heute nicht mehr viel gemein. Das Wetter ist grau und unfreundlich, das angemietete Häuschen ist längst in die Jahre gekommen, und obendrein verlangen die bockigen Schafe ihrer betagten Vermieterin Käthe Reents, um welche sie sich kümmern soll, nach regelmäßiger Zuwendung.
Ellis Start in Katharinensiel ist mehr als holprig. Aber sie lässt sich nicht entmutigen und schließt sich kurzerhand der örtlichen Selbsthilfegruppe an. Der Kontakt mit der buntgemischten Truppe hebt Ellis Stimmung zusehends, auch wenn der scheinbar ruppige Umgangston sie irritiert. Zu allem Verdruss gibt es noch den örtlichen Tierarzt Ahrend, der so gar nichts für die Exil-Hamburgerin übrigzuhaben zu scheint, aber bei Elli Emotionen auslöst, denen sie längst entsagt hat …

Ein Jahr voller Geschichten

Der Roman »Ein Jahr hinterm Deich« ist ein wahres Wohlfühlbuch und dabei fern von einem klassisch gestrickten Liebesroman. Die Autorin verarbeitet in spielerischer Leichtigkeit ernste Themen vor einer teilweise rauen Kulisse, wie Krankheit, Verlust, Trauer, Freundschaft, Familiengeschichte, Kriegstrauma, Selbstfindung, und Neuanfänge in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Und trotz alledem gehört dieser Roman für mich in die Kategorie der Wohlfühlliteratur. Die Autorin verwebt diese Themen mit viel Feingefühl und einigen humorvollen Nuancen in eine die Jahrzehnte übergreifende Geschichte, und damit bietet der Handlungsrahmen einiges mehr als eine hingebungsvolle Romanze von Best Agern in herrlicher Landschaft.

Haase erzählt ihre Geschichte in zwei Erzählsträngen, dem Heute und zur Zeit des 2. Weltkrieges. In jedem Abschnitt nimmt sich die Schriftstellerin die Zeit, um ganz ausführlich atmosphärische Beschreibungen der Landschaft zu kreieren und ihren Figuren den nötigen Handlungsrahmen zu geben.

Das Spiel mit den Klischees

Der Handlungsort von »Ein Jahr hinterm Deich« ist an der Nordsee angesiedelt. Elli verabschiedet sich von ihrem Leben in der Großstadt, um auf dem Land in Ruhe zu sich und einen Plan für ihr restliches Leben zu finden. Ihre Figur ist warmherzig und vom Leben gezeichnet. Ich habe der Protagonistin jede Spur von Zweifel, aufkeimende Verzagtheit und selbst die zurückhaltendste Begeisterung für die Schönheit der rauen Natur, der ihr anvertrauten Tiere und für das Leben selbst abgenommen. Denn ihr Charakter musste sich letztlich mit Erfahrungen auseinandersetzen, die tiefere Narben auf der Seele hinterließen als die bloßen Spuren auf ihrem Körper.

Dieser Frauenfigur stehen die herrlichen Nebenfiguren gegenüber, die jede für sich einen wohlbalancierten Raum in der Handlung der Geschichte einnehmen. Sie zeichnen sich durch ihren typischen nordischen Charme aus, ergänzt durch angenehme Eigenheiten, und bilden somit den idealen Gegenpol zur Protagonistin.

Ich war angenehm überrascht von der gelungenen Ausarbeitung der für dieses Genre typischen Romanze. Alles geschieht in einem angemessenen Maß, ohne die üblichen Ausschweifungen. Leise, zurückhaltend und bezaubernd entfaltet sich die Entwicklung, auch wenn sie aufgrund des Klappentextes zu erwarten war.

Auf den Ton

Die Autorin hat ihren zweiten Roman »Ein Jahr hinterm Deich« in einer wundervollen Sprachmelodie verfasst. Die Tonlage ist durchgehend ruhig und zurückhaltend, wirkt authentisch, trotz der Überraschungen, mit welcher die Geschichte aufwartet. Der Schreibstil ist leicht und flüssig. Die Handlung mäandert durch die Themen, und die Sprachform spiegelt die Geschichte sowie die Regionalität wider. Kurz, zackig und knackig, dennoch ausreichend bildgebend und an den richtigen Stellen detailverliebt.

Bereits mehrfach habe ich im Kontext der Geschichte »Ein Jahr hinterm Deich« auf die Kategorisierung als Wohlfühlroman hingewiesen, denn für mich verfügt dieses Buch über alle notwendigen Gestaltungsmerkmale. Es bietet sympathische Protagonisten, wobei besonders die Frauen in dieser Erzählung als starke Figuren hervorstechen, auch wenn ihnen von der Autorin keine einfache Vita zugestanden wurde. Zudem wird die Liebe zur Region und zur Natur spürbar, während die Romanze ein gelungenes, fast nebensächliches Detail bleibt. Daher ist es für mich beinahe unerheblich, dass ich viele Entwicklungen bereits im Voraus erahnte – ich fühlte mich dennoch wunderbar unterhalten von der Lektüre.

Mein Fazit

Mit dem Roman »Ein Jahr hinterm Deich« hat Katja Haase einen lesenswerten Nordsee-Roman geschaffen. Die Story ist überraschend tiefgründig und dabei sehr unterhaltsam. Die Protagonisten sind liebevoll ausgearbeitet und die Region wurde authentisch eingefangen.

Mir hat das Buch kurzweilige Lesestunden beschert und dabei das eine und andere Lächeln ins Gesicht gezaubert. Manchmal braucht es einfach nicht mehr. 😊

Meine Bewertung

5-Sterne-Bewertung
Hinweis: Keine bezahlte Werbung.
ISBN:978-3-499-01065-1
Sprache:Deutsch
AusgabeTaschenbuch
Seitenzahl448
VerlagROWOHLT Taschenbuch
Erscheinungsdatum:18.07.2023

Wenn Erinnerungen die Gegenwart durchdringen

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