Im Freien – Geschichten vom Draußensein
von Björn Kern
Von der revolutionären Kraft, draußen zu sein.
»Ich beschließe, die Nacht genau hier, am Waldrand, zu verbringen. Mir ist nicht mehr kalt, ich habe die Augen geöffnet, sehe aber nirgendwohin. Ich sehne mich nicht mehr nach dem nächsten Tag, bereue nicht, dass ich den zurückliegenden am Rechner verbracht habe. Ich bin hier. Alle Anspannung ist abgefallen. Es ist der Moment, der süchtig macht.«
Björn Kern ist nicht am Amazonas und nicht in eisigen Höhen unterwegs, sondern auf wenigen Metern über Normal Null, gleich vor der eigenen Haustür. Aber auch hier lauern existentielle Erfahrungen, wie sich zeigt, auch hier begegnen ihm Angst und Rausch und Begeisterung. Sinnlich und literarisch brillant offenbart er einen Ausweg für alle, die rauswollen, ohne aussteigen zu können. Für sie, die Sehnsüchtigen, ist diese magische Freiheitsfibel geschrieben.
Doch beim Draußensein geht es nicht nur um das Freilegen weggeklickter Sinne. Das Draußensein hilft auch dabei, die Maßstäbe wieder zurechtzurücken. Neues iPhone? Flug auf die Antillen? Autofahrt zur Plastikfolie? Wirklich? Im Freien zeigt sich, dass das richtige Leben im falschen, mit etwas Glück, zu finden ist.
Auszug des Klappentexts
Eine poetische Erzählung im Stil des Nature Writing über den wertvollsten Schatz unserer Welt – die Natur.
Einige Worte vorab
Die Erzählung »Im Freien – Geschichten vom Draußensein« von Björn Kern ist mir quasi vor die Füße gefallen. Während eines Urlaubs stand das etwas ramponierte Buch in der Ferienunterkunft: Ein leuchtendgrünes Buch im Pocket-Format.
Meine Urlaubsreise drehte sich selbst um das aktive Draußensein, und damit war klar, dass ich das Buch lesen und hier besprechen muss.
Ein Blick auf den Autor
Das Buch »Im Freien – Geschichten vom Draußensein« hat Björn Kern verfasst. Geboren wurde er in Lörrach und wuchs in der Region des Südschwarzwalds auf. Später studierte Kern in Tübingen, Passau und Aix-en-Provence sowie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und verbrachte einige Jahre in Berlin. Nun lebt der Schriftsteller mit seiner Familie im Oderbruch.
Björn Kern ist ein naturverbundener, konsum- und gesellschaftskritischer und erfolgreicher Autor. So wurde z. B. sein Roman »Die Erlöser AG« 2012 für das ZDF verfilmt.
Dass der Schriftsteller mit dem Talent gesegnet ist, mit Buchstaben Bilder zu zeichnen, kann man durchaus erahnen, wenn man einen Blick auf die lange Liste der Stipendien, Förderpreise und sonstigen Literaturpreise wirft. Oder man liest einfach ein Buch von Björn Kern. 😊
Die Natur der Sache
Das Buch »Im Freien – Geschichten vom Draußensein« widmet sich ganz dem Nahweh. Der brennenden und schier unstillbaren Sehnsucht nach dem Draußensein.
Bei dem Buch handelt es sich nicht um einen Roman oder ein Sachbuch bzw. einen Ratgeber. Es ist ein literarisch verpackter Erfahrungsbericht über eine Entdeckungsreise vor der eigenen Haustür, ergänzt um Reflexionen über das Leben mit und in der Natur.
Nahweh statt Fernweh, so beschreibt der Autor eindrücklich und wortgewandt die fortwährende schwelende Sehnsucht, die Natur zu erfahren. Fern von dem Outdoor-Konsumwahnsinn und imposanten Reisen um den ganzen Globus, sondern einfach hinein in große und kleine Abenteuer direkt vor der Haustür.
Kern lässt den Lesenden im Verlauf der wechselnden Jahreszeiten an seinen Erlebnissen in der heimischen Natur teilhaben. Seine Nahweh-Reise beginnt mit seiner spontanen Übernachtung im Freien. Es ist März. Der Frühling steht in den Startlöchern und der Winter ist noch nicht ganz bereit, das Feld zu räumen. Kern zieht es in die Nacht hinaus, und seine Entdeckungsreise beginnt. So schreibt er über seine Begegnungen mit einem neugierigen Fuchs, über eine nächtliche Wanderung entlang der Bahngleise oder über einen gewagten Campingausflug mit seinem Sohn, trotz eines aufziehenden Gewitters.
Bei all seinen großen und kleinen Abenteuern zieht der Autor im Grunde blank: Er lässt den Lesenden an all seinen Gedankengängen, Emotionen und kritischen Blickwinkeln auf das Dasein, den Umgang mit der Natur und das Leben der Städter und Dörfler ungefiltert teilhaben.
Diesen Gedanken zu folgen, bereitet dem Lesenden ein wahres Vergnügen, und als Grund hierfür sind die hohe sprachliche Qualität und natürlich die Überlegungen selbst aufzuführen.
Dennoch muss ich einwenden, dass ich nicht all seine geäußerten Meinungen und Überlegungen uneingeschränkt teile, aber für die Mehrzahl der angesprochenen Punkte wünschte ich mir, dass mehr Menschen zuhören, reflektieren und sich davon angesprochen fühlen würden.
Poesie trifft auf Unvernunft
Mit »Im Freien – Geschichten vom Draußensein« zeigt der Autor sein Können. Er schreibt wort- und bildgewaltig über ein scheinbar belangloses Thema, seine mannigfaltigen Streifzüge durch die märkische Natur.
Zu Beginn hat mich das Buch »Im Freien – Geschichten vom Draußensein« richtiggehend gepackt. Seine Darlegung über das Nahweh, zum Draußensein und den Lebens- und Verhaltensweisen der Menschen unserer Zeit machen nachdenklich und ließen mich zugleich durch die Seiten fliegen. Derart kurzweilig und unterhaltsam lasen sich seine ersten Nahweh-Abenteuer.
Doch mit dem Voranschreiten in der Geschichte flachte der anfängliche Begeisterungssturm ab. Die Erzählung verlor etwas von ihrem Reiz. Die Abenteuer wirkten immer mehr konstruiert und wenig authentisch, gipfelten schlussendlich im Abstrusen, sodass ich hoffe und vermute, dass es sich hier nicht mehr um echte Erlebnisse des Autors handelte, sondern die Fiktion die Regie über die Erzählung übernahm.
Diese Steigerung des Spannungsbogens folgt der Manier eines guten Thrillers. Doch aus meiner Sicht wäre dieser literarische Kniff nicht vonnöten gewesen. Für mich hatte der Anfang der Geschichte eine größere Sogwirkung als die überzogenen und teilweise unvernünftigen Handlungen (schamanische Schwitzhütten oder Sprung in die Oder trotz Warnungen bzw. Verbotsschildern).
Es wird nicht nur fabuliert und gewandert, es gibt auch menschliche Interaktionen. Seine Familie lässt der Autor fast vollständig und bewusst außen vor. Doch ein Geselle darf regelmäßig seine Stimme erheben: Die Passagen, die dem etwas kauzigen und sehr liebenswerten Nachbarn gewidmet sind, sind sehr unterhaltsam. Hiervon hätte ich mir mehr gewünscht.
Die Quintessenz
Der wahre Schatz von Kerns Erzählung »Im Freien – Geschichten vom Draußensein« liegt eindeutig in seinen famosen und fast sinnlichen Beschreibungen der Natur. Gepaart mit dem offen gewährten Einblick in seine Gefühls- und Gedankenwelt sowie seiner Begabung, kritische Töne ohne Besserwisserei hervorzutragen, gipfelt das Werk in dem Plädoyer, vor der heimischen Haustür auf Entdeckungsreise zu gehen.
Mein Resümee
»Im Freien – Geschichten vom Draußensein« von Björn Kern ist ein eloquentes und kluges Buch aus dem Genre des Nature Writing. Der Autor hat eine Hommage an die heimische Natur verfasst. Ein Erlebnisbericht voller Naturerfahrungen, gepaart mit klugen, teilweise kritischen Gedanken und gewürzt mit einer Prise an Verrücktheit. Ein literarischer Urlaub vom Alltag.
Und ich? Ich bin jetzt mal draußen. 😊
Meine Bewertung

Hinweis: Keine bezahlte Werbung.
ISBN: | 978-3-596-52310-8 |
Sprache: | Deutsch |
Ausgabe | Gebundenes Buch |
Seitenzahl | 272 |
Verlag | FISCHER Taschenbuch |
Erscheinungsdatum: | 10.03.2021 |
Eine Erzählung über die Liebe zur Natur