Töchter
von Lucy Fricke
Freundschaft, Väter und das Leben mit Vierzig
Die Freundinnen Martha und Betty aus Berlin brechen auf zu einer Reise in die Schweiz. Sie haben einen todkranken Vater auf der Rückbank, der sterben möchte. Doch das Leben endet noch nicht. Denn manchmal muss man einfach durchbrettern. Auch wenn einem das Unglück von hinten auf die Stoßstange rückt. Bis nach Griechenland, immer tiefer hinein in die Abgründe der eigenen Geschichte. Mit einem Humor aus Notwehr und einer Wahrhaftigkeit, die weh tut, erzählt Lucy Fricke von Frauen in der Mitte ihres Lebens, von Abschieden, die niemandem erspart bleiben, und von Vätern, die zu früh verschwinden.
Auszug des Klappentexts
Ein Roadtrip zur Aufarbeitung familiärer Traumata, mit deutlich mehr Schwächen als zu erwarten waren.
Bevor es losgeht
Den Roman „Töchter“ von Lucy Fricke entdeckte ich auf Reisen bei einem meiner Streifzüge durch eine feine inhabergeführte Buchhandlung. Diese trug den zauberhaften Namen „Dreizehneinhalb“. 😊
Gedanken zum Einstieg
Das Cover erregte meine Aufmerksamkeit, und der Klappentext weckte meine Neugierde. Gleichwohl manifestierte sich der Gedanke, ob ein Buch über selbstbestimmtes Sterben in der Schweiz überhaupt zu mir passt.
Auf der Rückseite des Einbands stand das Zitat »Famos. Zum Brüllen komisch und zum Heulen schön.« von Peter Henning (Spiegel Online). Perfekt, dieses Buch muss ich lesen.
Die Autorin
Den Roman »Töchter« schrieb die mehrfach ausgezeichnete deutsche Autorin Lucy Fricke. Er wurde bereits im Jahr 2018 erstmals veröffentlicht.
Die Schriftstellerin wurde 1974 in Hamburg geboren, arbeitete später lange Zeit in der Film- bzw. Fernsehbranche, bevor sie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig studierte.
Für ihr Werk »Töchter« erhielt sie 2018 den Bayrischen Buchpreis, und 2021 wurde der Roman mit Alexandra Maria Lara, Birgit Minichmayr, und Josef Bierbichler verfilmt.
Die Kurzfassung
Die ungleichen Freundinnen Martha und Betty trennt vieles und verbindet so einiges. Sie sind Anfang vierzig, nicht wirklich glücklich in ihrem Leben, und wie das Schicksal es will, fahren sie gemeinsam mit Marthas todkrankem Vater Kurt in die Schweiz. Er will dort sein Leben selbstbestimmt beenden. Allerdings war die Rolle des liebenden und fürsorglichen Vaters keine Lebensleistung von Kurt. Infolgedessen ist die Beziehung zu seiner Tochter alles andere als einfach. Die vorherrschenden Probleme werden zwar kaum wirklich angesprochen, sind aber allgegenwärtig und reisen – wie der rosa Elefant auf der Rückbank – mit.
Die Protagonistinnen stehen an verschiedenen Punkten in ihren Leben, doch die Konstante in ihrer Beziehung ist die tiefe Bindung zwischen den beiden. Und diese Verbindung ist mehr als hilfreich auf dieser sehr emotionsbeladenden Reise. Wo Martha krampfhaft versucht, das Richtige zu tun, ist ihre Freundin Betty bemüht, die Kontrolle über die Situation zu behalten, damit die Sache nicht eskaliert.
Es ist nicht allzu überraschend, wenn ich verrate, dass die Schweiz warten muss. Nach einigem Hin und Her führt die Reise der ungleichen Gefährten erst nach Italien, um letztlich in Griechenland zu enden.
Führt dieser ungewöhnliche Roadtrip die Reisenden wirklich ans ersehnte Ziel, oder entpuppt sich am Ende alles als ganz anders?
Hin- und hergerissen
Der Roman »Töchter« hat bei mir verschiedene Emotionen ausgelöst. Selbst jetzt, Tage nach der Beendigung des Buchs, bin ich unschlüssig, in welche Richtung meine Besprechung ausschlagen soll.
Zum einen ist das Können der Autorin hervorzuheben. Der Text besticht zwar nicht durch eine besondere sprachspezifische Ausdrucksform, doch trotz der leichten Tonlage vermag er kraftvoll Emotionen zu wecken – auch wenn diese eher düsterer Natur sind – und gewinnt durch die beschriebene Szenerie.
Allerdings ist mir die gesamte Umsetzung des Plots zu stereotypbelastet, zu schlicht und trotz aller Versuche der Problembewältigung zu wenig menschlich.
Aufgrund der Andeutungen des Klappentexts erwartete ich eine etwas ausführlichere Auseinandersetzung mit dem umstrittenen Thema der aktiven Sterbehilfe. Die Autorin bediente sich bei ihrer Figurenausgestaltung exzessiv an gängigen Klischees. Es wirkte auf mich überstrapaziert, und obwohl sie dieses komplexe Thema als Aufhänger für den Roadtrip ihrer Figuren auserkoren hat, schreckt sie maßgeblich vor einer direkten Auseinandersetzung mit dem Thema »Selbststimmung am Lebensende« zurück. Diese Thematik wurde oberflächlich angekratzt, und bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit wird der Abzweig zum nachfolgenden Handlungsstrang mit wehenden Fahnen dankbar angenommen.
In der ersten Hälfte des Romans hat mich noch die Interaktion der Freundinnen, dieses Changieren der ungleichen Figuren angesprochen. Doch hier schließt sich direkt mein nächster bereits angedeuteter Kritikpunkt an: Die Ausgestaltung der Figuren.
Kurt ist der griesgrämige Grantler und Marthas unzuverlässiger Vater, der nie für sie da war. Ihm gegenüber positioniert sind die Freundinnen – Martha und Betty – als Gegenspielerinnen.
Alle Figuren verharren in altbekannten Stereotypen und bleiben dabei erschreckend farblos. Keiner der Charaktere konnte in irgendeiner Weise herausstechen oder Sympathie wecken – sie bleiben vorhersehbar, und echte Tiefe fehlt.
Als sei das alles nicht schon genug, rauschte die wenig spannungsvoll fortschreitende Geschichte ins abstruse Milieu ab. Und so beschlich mich die Frage, ob ich die einzige Leserin bin, die diese Wendungen im letzten Drittel als befremdlich und krampfhaft konstruiert empfand?
Die Antwort ist nein, wie mir diverse Rezensionen auf verschiedenen Plattformen bestätigten.
All diese Punkte führen dazu, dass das Lesen des Buchs zu einer zähen Angelegenheit wurde. Letztlich las ich nur weiter, weil ich hoffte, dass ich noch überrascht werde, denn immerhin ist das Buch preisgekrönt.
Die Romanverfilmung
Nach der Beendigung des Buchs war ich wirklich deprimiert. Dieses Werk wurde mit einem Buchpreis honoriert und sogar für die Kinoleinwand adaptiert.
Was stand auf der Rückseite des Schmutzumschlags? Famos und zum Brüllen komisch.
Diese Aussage kann ich nicht teilen, denn ich habe weder gelacht, noch fand ich das Buch famos.
Also was stimmt nicht: Die Tonlage? Die Figuren? Der Plot? Die Buchleserin?
Die ausbleibende Wirkung des Romans »Töchter« auf mich trieb mich weiter um. Infolgedessen sah ich mir den Trailer zur Romanverfilmung an. Und oh Wunder: Ich fand die Vorschau gut.
Die Filmakteure haben das vollbracht, was der Autorin auf 237 Seiten so gar nicht gelang: Sie haben mich abgeholt und mitgenommen.
Normalweise präferiere ich immer die Buchvorlage vor der Romanverfilmung, aber hier sage ich laut und voller Inbrunst: Vergiss das Buch! Mach es dir bequem und schau lieber gleich den Film an.
Mein Fazit
Der Roman »Töchter« von Lucy Fricke konnte mich nicht überzeugen. Die Geschichte ist für mich geprägt von verbitterten Figuren, abstrusen Wendungen, wahrhaft unlustigem Humor und verbreitet eine komplett deprimierende Stimmung.
Die Adaption der Romanverfilmung hingegen hat mich besänftigt, weil das Spiel der Akteure für mich stimmig war.
Damit ist für mich bewiesen, dass ein preisgekröntes Buch nicht automatisch ein Garant für unterhaltsame und vor allem gute Literatur ist.
Meine Bewertung
Hinweis: Keine bezahlte Werbung.
ISBN: | 978-3-499-29015-2 |
Sprache: | Deutsch |
Ausgabe | Taschenbuch |
Seitenzahl | 240 |
Verlag | ROWOHLT Taschenbuch |
Erscheinungsdatum: | 23.07.2019 |
Ein Roadtrip in die Vergangenheit