Das Fundbüro der verlorenen Träume

von Helen Frances Paris

"Das Fundbüro der verlorenen Träume" von Helen Frances Paris - Buchcover | Buch-Blog der Buchleserin

Wer nichts sucht, kann auch nichts finden. Oder doch?

Seit dem bitteren Verlust, der ihr Leben erschütterte, hat sich Dot von der Welt zurückgezogen. Sie vergräbt sich in ihrer Arbeit im Londoner Fundbüro und geht ganz in ihrem Job als Hüterin verlorener Dinge auf.
Als ein bekümmerter älterer Herr ins Fundbüro kommt, der ein Andenken an seine verstorbene Frau verloren hat, setzt Dot alles daran, ihm zu helfen.
Dabei findet sie schließlich auch etwas, wonach sie gar nicht gesucht hat: sich selbst und ihr wirkliches Leben.

Auszug des Klappentexts

Ganz anders als erwartet – eine Geschichte über Verluste und wiedergefundene Träume

Die Optik macht‘s

Der Kauf des Romans „Das Fundbüro der verlorenen Träume“ von Helen Frances Paris erfolgte spontan und wurde hauptsächlich über die Optik gesteuert. Das Buchcover hatte mich direkt eingefangen: diese Schlichtheit und doch so treffend.
Natürlich konnte ich vor dem Lesen des Werks nicht erahnen, wie auf den Punkt die Gestaltung des Buchdeckels ist.

Die Feder in Hand

Verfasst wurde der Roman von Helen Frances Paris, und damit traf ich erneut auf eine Autorin, die mir nicht bekannt war. Das ist nicht verwunderlich, denn der Roman „Das Fundbüro der verlorenen Träume“ ist ihr Debüt.

Nach dem ersten positiven Eindruck zum Bucheinband überflog ich den Klappentext, und auch dieser hat die zarte Flamme meiner Begeisterung aufrechterhalten. Ein Buch über ein Fundbüro. Eine Story in einem solchen Kosmos hatte ich noch nicht gelesen. Würde mich eine derartige Handlung überzeugen?

Noch etwas unsicher, musste ich wissen, wer hinter der Story steckt. Immerhin galt es vorab zu erahnen, was mich erwartet. Die Schriftstellerin arbeitet als künstlerische Leiterin eines Theaters, hatte jahrelang eine Professur für Theaterwissenschaft und erhielt für ihre Lyrik den englischen Bridport Prize.

Nach dem Zusammentragen all dieser Fakten schlussfolgerte ich für mich, dass der Roman mit einer brillanten Erzählstruktur und mit einer die Fantasie anregenden und eindrücklichen Bildsprache ausgearbeitet sein muss. Damit war klar: Ich will das Buch unbedingt lesen.

Vom Verlieren und Finden

Die Überschrift des Absatzes ist Programm. Doch zuerst: Wer eine beschwingte und zutiefst romantische Love-Story-Handlung erwartet, wird von diesem Buch gnadenlos enttäuscht sein.

Dieses Buch ist anders, als der Einband vermuten lässt. Die Autorin spielt mit den mannigfaltigen Variationen des Verlierens und Wiederfindens.
Es werden ganz normale und praktische Dinge – wie ein Handschuh, ein Reiseführer, ein Regenschirm oder eine (Hand-)Tasche – verloren, aber auch die Liebe des Lebens, Familienangehörige, das Selbst oder der große Lebenstraum. Diese verschiedenartigen Formen des Verlustes sind das zentrale Thema des Romans.

Die Protagonistin Dot arbeitet im Londoner Fundbüro, in dem all die Dinge landen, die in Bussen, Bahnen und Zügen der Stadt verloren, gefunden und abgegeben worden sind. Alles muss detailliert erfasst, etikettiert und einsortiert werden. Immer in der Hoffnung, dass der Eigentürmer den Verlust dieser/seiner Fundsache meldet und im Idealfall mit dem Fundstück wiedervereint wird.

Dort hinter dem Tresen, zwischen all den verlorenen Dingen, versteckt sich Dot vor dem Leben und den Menschen. Das Fundbüro ist ihr Heiligtum und Schutzraum zugleich. Das Leben plätschert so dahin.
Mit dem Auftritt von Mr. Appleby gerät Ihre Welt ins Wanken. Der ältere und bekümmerte Herr kommt ins Fundbüro und fragt nach einer verlorenen honigfarbenen Tasche. Diese enthält ein Andenken an seine verstorbene Frau.
Der Ehrgeiz von Dot ist geweckt. Sie möchte unbedingt dafür sorgen, dass der nette Gentleman seine Tasche zurückerhält. Doch das ist nur der Anfang einer von Tragik und Zerrissenheit geprägten Geschichte …
Finden die kleine Reisetasche und Mr. Appleby wieder zueinander? Was ist los mit Dot? Wird sie das finden, was ihr verlorenging?

Schein und Sein

Eingangs schrieb ich über meine Vorstellung zur brillanten Erzählstruktur und der eindrücklich ausgearbeiteten Bildsprache. Ich muss sagen, dass das der Autorin in großen Teilen gelungen ist. Der Schreibstil ist ausdrucksvoll, wenn auch manchmal etwas zu sprunghaft. So ging mehr als einmal der Fokus der Geschichte in zu detailliert ausgearbeiteten Nebensächlichkeiten verloren.
Doch war der Fokus richtig gesetzt, dann zeigten sich die Bilder, welche sie mit ihren Worten zeichnete, sehr intensiv. Dennoch hatte ich mehrmals das Gefühl, dass eine (ungewollte) Distanz aufrechterhalten wurde.

Öfters erwischte ich mich dabei, dass ich überlegte, dass das Buch dringend eine Trigger-Warnung enthalten müsste. Doch diese gibt es nicht, stattdessen stehen im Innenteil des Einbandes Zitate wie:

„Ein lebensbejahender Roman in wunderschöner Prosa“

von My Weekly

„Liebevoll und warmherzig“

von Magic Book Club

„Voll tiefer Emotionen und wunderbarer Figuren – ein witziges, kluges und warmes Buch“

vom Daily Express

Natürlich stimmt das alles irgendwie. Der Roman ist voller tiefgehender Emotionen, zeichnet sich durch wunderbare Figuren aus, ist klug und (manchmal) witzig, aber trägt auch eine allumfängliche Schwere in sich. Lässt den Lesenden nachdenklich werden über das Leben und die Lebenswege, und ist geprägt von Melancholie.

Es werden Themen behandelt, die keine leichte Kost sind und in anderen Werken mit einer Trigger-Warnung versehen werden. Genau diese Themenfelder sind für mich nicht in Einklang zu bringen mit den zuvor angesprochenen Zitaten des Einbands.
Es wird suggeriert, dass das Werk eher in die Rubrik leichte und kurzweilige Lektüre gehört, und damit erkläre ich mir auch das mittelmäßige Abschneiden in den Rezensionen.

Die kleinen Details

Ich hatte mich auf den Roman „Das Fundbüro der verlorenen Träume“ gefreut, denn ich erwartete eine bunte Geschichte rings um das Fundbüro. Dieser Ort spielt allerdings nur eine Nebenrolle. Er ist zum Teil Spielort und bekommt dadurch seinen Platz in der Geschichte. Ebenso wie das von mir sehnsüchtig erwartete ausgiebige Philosophieren über die verlorenen Dinge und deren Besitzer: Dieses erfolgt, auch in sehr erfreulicher Form, dennoch war mir dieser Part etwas zurückhaltend und insgesamt zu kurz gestaltet.

Ähnlich ging es mir mit der Hauptfigur Dot. Sie ist eine fast schon tragische Figur, denn das Schicksal hat ihr ein schweres Paket aufgebürdet. Sie ist geprägt von Schuldgefühlen, Trauer, Zerrissenheit und schrägen Attitüden. Eigentlich mag ich solche Antihelden besonders gern, aber mit Dot habe ich mich etwas schwergetan. Die Autorin vermochte es nicht, mir manche Handlungen und Beweggründe ihrer Romanheldin glaubhaft zu machen. Deshalb blieb immer eine gewisse Distanz zur Figur.

So wie mir Nuancen bei der Ausarbeitung bei Dot fehlten, so ähnlich erging es mir auch mit einigen beschriebenen Situationen und weiteren Nebenfiguren. Im Grunde war alles vorhanden, aber es blieb das Gefühl, dass das letzte Quäntchen für mein (Lese-)Glück fehlt.

Diese Mal werde ich meine Bewertung erklären: Das Buch bekommt von mir „nur“ 3 Sterne, weil ich finde, dass es von der gesamten Aufmachung (Klappentext, positive Zitate im Innenteil, fehlende Trigger-Warnung) absolut irreführend ist, und leider schaden diese missverständlichen Marketingmaßnahmen dieser tiefgründigen Geschichte.

Mein Fazit

Der Roman „Das Fundbüro der verlorenen Träume“ ist ein starkes Debüt. Es bietet eine unerwartete Geschichte voller Wendungen, ist dabei ergreifend, tragisch und tröstlich zugleich.

Ich habe das Buch trotz kleiner Schwächen gern gelesen und werde sicherlich auch den Folgeroman „Der wunderbare Garten der Mrs. P.“ auf meinen Bücherstapel legen. 🙂

Meine Bewertung

3-Sterne-Bewertung der Buchleserin
Hinweis: Keine bezahlte Werbung
ISBN:978-3-423-26317-7
Sprache:Deutsch
AusgabeTaschenbuch
Seitenzahl368
Verlagdtv Verlagsgesellschaft
Erscheinungsdatum:15.03.2022

Ein Buch über Verluste und wiedergefundene Träume

2 Comments

  1. Vielen Dank, liebe Doreen, dass du dieses Buch vorgestellt und so detailliert beschrieben hast. Ich denke, ich werde es trotz der 3 Sterne lesen. Nun weiß ich ja, was mich erwartet und bin gespannt.

    1. Liebe Eva,
      es freut mich, dass Du meiner Empfehlung folgst, auch wenn ich zurückhaltend bei der Vergabe der Sterne war.
      Mir hat das Buch durchaus gefallen, trotzdem denke ich, dass aufgrund der Aufmachung die eigentliche Zielgruppe verfehlt wurde.
      Jetzt bin ich gespannt, ob du diese Empfindung teilst …
      Liebe Grüße

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