Monsieur le Comte und die Kunst der Täuschung

von Pierre Martin

Monsieur le Comte und die Kunst der Täuschung von Pierre Martin - Buchcover | Buch-Blog der Buchleserin

Auftragsmörder wider Willen

Lucien Comte de Chacarasse hat seinem Vater am Sterbebett ein Versprechen gegeben: Er wird die Tradition des Adelsgeschlechts seiner Familie fortsetzen und geheime Aufträge für bezahlte Morde entgegennehmen. Doch Lucien, der eigentlich ein unbeschwertes Leben im südfranzösischen Villefranche-sur-Mer führt, der die Frauen liebt, den Wein und die provenzalische Küche, hat ein einen Vorsatz gefasst: Er wird keinen Menschen umbringen!

Bei seinem neuesten Auftrag, der ihn nach Marseille führt, ist deshalb die Kunst der Täuschung gefragt. Als Priester getarnt versucht er, die Zielperson in ein seelsorgerisches Gespräch zu verwickeln. Wird es ihm gelingen, sein Opfer für die Welt verschwinden, aber gleichzeitig am Leben zu lassen?

Auszug des Klappentexts

Ein neuer Auftrag, alte Bekannte und das Savoir-vivre

Zurück in Villefranche-sur-Mer

Der zweite Teil »Monsieur le Comte und die Kunst der Täuschung« der relativ neuen Buchreihe um den französischen Lebemann Lucien, seines Zeichens Comte de Chacarasse, schließt direkt ans Ende des ersten Bands »Monsieur le Comte und die Kunst des Tötens« an. Dem Schwur der Familie verpflichtet, den er seinem Vater gegenüber an dessen Totenbett gegeben hat, erhält Lucien von seinem Onkel Edmond einen neuen Auftrag. Dieser erfordert wieder seinen Erfindungsreichtum und sein Talent zur Improvisation, um seinem eigenen Versprechen gerecht zu werden: Niemals einen Menschen zu töten.

Alles anders und doch gleich

Wer meine Rezension zum ersten Teil gelesen hat, wird sich im Folgenden vielleicht wundern, dass ich mit der Fortsetzung härter ins Gericht gehe. Die Qualität dieses Romans hält leider dem Vergleich nicht stand, und das gleich auf mehreren Ebenen.

Die Grundidee, das Familienerbe, der Schwur gegenüber dem Vater und Luciens Versprechen, diesem nicht nachzukommen, finde ich nach wie vor innovativ und voller Potenzial für anregende, kreative Handlungsstränge und Ereignisse. Zu Beginn fragte ich mich, wie es Lucien dieses Mal schaffen wird, sein anvisiertes Opfer den Voraussetzungen zum Trotz zu verschonen.

Dass es ihm gelingt, war dann wenig überraschend, wie der Hauptakteur auch sonst alles mit schlafwandlerischer Sicherheit fertigbringt. Bösewichte bezwingt er, da er in allerhand Verteidigungstechniken von Kindesbeinen an ausgebildet wurde, ohne große Mühe oder selbst einen Kratzer davonzutragen. Und natürlich umschwirren den Bonvivant die Frauen wie die Bienen die Blüte. Dadurch wandelt sich der im ersten Teil sympathische Lucien, den Gewissensbisse wegen seiner Aufträge plagen, in dieser Fortsetzung zum Stereotyp des schillernden Machos, dem nichts etwas anhaben kann. Das wirkt zu glatt und über so viele Seiten hinweg irgendwann unglaubwürdig. Würde er doch wenigstens einmal von einer Frau eine gescheuert oder zumindest eine Abfuhr bekommen oder eine Faust ins Gesicht, die Story wäre so viel authentischer. Außerdem könnte man dann mal so etwas wie Mitleid mit der Hauptfigur haben. So bleibt man beim Lesen stets auf Abstand.

Flacher Spannungsbogen

Der Klappentext umreißt den neuen Auftrag, den Lucien zähneknirschend übernimmt, und verspricht eine knifflige Herausforderung. Und die ist nach etwa einem Drittel des Buchs gelöst. Da fragte ich mich, was im längeren Rest noch auf mich wartet. Dass Lucien ausgerechnet die Polizeireporterin Anne näher kennenlernt, die seinem Charme nicht viel entgegenzusetzen hat, ist einer dieser Zufälle, die wohl in so einem Roman sein müssen. Dem Plot hätte diese Liaison an genau der Stelle den richtigen Dreh verleihen können, zumal Anne ausgerechnet im Kriminalfall rund um Luciens Auftrag recherchiert. Doch leider kommt es nicht zu aufschlussreichen Erkenntnissen, und auch Luciens Bedenken sind eher harmlos.

So plätschert die Handlung eine ganze Weile zwischen verschiedenen Orten an der französischen Riviera, vielfältigen kulinarischen Genüssen und nett dargestelltem Savoir-vivre vor sich hin. Es kommt zu dem bereits bekannten verbalen Schlagabtausch zwischen Lucien und seinem ungeliebten Onkel Edmond und einigen Nachforschungen und inneren Auseinandersetzungen mit der Familienvergangenheit. Alles in allem passiert kaum noch etwas Aufregendes, und das muss auch dem Autor aufgefallen sein. Denn im letzten Viertel sieht sich Lucien dann doch noch einmal mit einem neuen Auftrag konfrontiert, der ihn vor eine schier unlösbare Aufgabe stellt. Um was es dabei geht und wie der Killer wider Willen die Aufgabe löst, verrate ich hier nicht, nur so viel: ziemlich konstruiert und wenig glaubwürdig.

Der Fluch der Fortsetzung

Cosy Crime darf einiges, was sich in realitätsnahen Kriminalgeschichten verbietet. Da dürfen auch mal Klischees bedient werden und die Charaktere etwas überzeichnet sein. In »Monsieur le Comte und die Kunst der Täuschung« schießt der Autor damit allerdings etwas übers Ziel hinaus.

Das wäre nicht mal schlimm, wenn nicht auch die gewählte Sprache so altbacken und wenig kreativ wäre. Vielleicht bin ich noch zu verzaubert von der pointierten Wortgewalt von Kent Harufs »Unsere Seelen bei Nacht«, aber schriftstellerisch bewegt sich Pierre Martin mit seinem Werk nicht annähernd in der Liga. Ein Hauptsatz reiht sich an den anderen und macht das Lesen nicht zu einem Genuss.

Auf dem Cover des Buchs »Monsieur le Comte und die Kunst der Täuschung« klebt wieder dieses „SPIEGEL Bestseller-Autor“, das nichts über die Qualität des vorliegenden Werks aussagt. Vielmehr bestätigt dieses Buch mal wieder, dass man sich als Autor seine Leserschaft nicht nur verdienen, sondern auch etwas dafür tun muss, dass sie einem gewogen bleibt. Kann sein, dass dieser Folgeband vom Verlag unter Druck eingefordert wurde oder der Autor schnell an seinen Erfolg anknüpfen wollte. Hier spekuliere ich, aber beides hat dem Ergebnis nicht gutgetan.

Sollte die Qualität eines dritten Teils dieser Reihe nicht wieder das Niveau des Auftakts erreichen, dann ist mein Ausflug in die Welt des Comte de Chacarasse beendet.

Meine Bewertung

3-Sterne-Bewertung der Buchleserin
Hinweis: Keine bezahlte Werbung
ISBN:978-3-426-53087-0
Sprache:Deutsch
AusgabeTaschenbuch
Seitenzahl384
VerlagKnaur Taschenbuch
Erscheinungsdatum:02.11.2023

Cosy Crime con Savoir-vivre

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