Lesekompetenz
Oder warum Lesen wichtig und sexy ist!
In regelmäßigen Abständen wird die Lesekompetenz deutscher Kinder und Jugendlicher thematisiert. Kürzlich fand die Leipziger Buchmesse (LBM) statt, und im Rahmen der Berichterstattung zeigte ein bekanntes Nachrichtenformat des öffentlich-rechtlichen Programms eine Großaufnahme von den Besuchermassen. Dabei merkte der Sprecher bedeutungsschwanger an: „Und die Jugendlichen lesen doch!“
Also Grund genug für mich, endlich einige meiner Gedanken zum Thema niederzuschreiben.
Was bedeutet Lesekompetenz?
Die Begrifflichkeit „Lesekompetenz“ ist eigentlich selbsterklärend, trotzdem möchte ich sie hier etwas genauer definieren: Mit der Lesekompetenz wird die Fähigkeit einer Person, geschriebene Texte zu verstehen, zu interpretieren und zu analysieren umschrieben.
Damit ist klar, die Lesekompetenz ist ein wichtiger Bestandteil der allgemeinen Bildung und spielt eine entscheidende Rolle in der eigenen Entwicklung, sowohl im beruflichen wie im persönlichen Leben. Oder ganz kurz gesagt: Lesen ist wichtig, macht schlau und sexy!
Die geistigen Grenzen sprengen
Es ist so simpel: Wer liest, erfährt einen Wissens- und Kompetenzgewinn, denn durch das Lesen wird das Gehirn trainiert, dies verbessert automatisch das Denken und die soziale Interaktionsfähigkeit.
Das bedeutet, dass neben der fachlichen Aus- und Weiterbildung eine gute Allgemeinbildung in allen Lebenslagen geschaffen wird. Das hilft nicht nur beim wöchentlichen Pub-Quiz. 😉
Das regelmäßige Trainieren des Gehirns durchs Lesen verbessert das analytische Denken und steigert die Fähigkeit, sich zu fokussieren. Man kennt das, der Krimi-Liebhaber versucht bereits von Beginn an, den Plot zu enträtseln. Wer ist der Täter und wie hat er es bloß gemacht?
Jedes Lesen erfordert Konzentration, damit man den Faden nicht verliert und dem Handlungsaufbau folgen kann. Ist die Konzentration gestört, muss man zurück zum Anfang der Seite oder des Kapitels. Lesende kennen das zur Genüge: Es gibt Zeit zu überbrücken, wenn man z. B. in einem Wartezimmer oder in der Bahn sitzt, so zückt man gern ein Buch. Doch man wird gestört, verliert den Faden und das Lesevergnügen ist getrübt. Ärgerlich.
Zudem wird durch das Lesen die Empathiefähigkeit gefördert, das ist aus meiner Sicht ein wichtiger sozialer und emotionaler Aspekt. Hierbei ist es fast unerheblich, ob ein Buch oder bevorzugt Magazine gelesen werden. Wichtig ist nur, dass regelmäßig gelesen wird, denn das Lesen erweitert den eigenen Horizont und ermöglicht, mit anderen mitfühlend und einfühlsam umzugehen. Es lässt das Verständnis füreinander wachsen, und das ist in der aktuellen Zeit so wichtig wie noch nie.
Sprachgewandt durchs Leben
Ein weiterer Vorteil ist, dass eine gute Lesekompetenz sich auf den Wortschatz auswirkt. So gibt es nachweislich signifikante Unterschiede zwischen Lesern und Nichtlesern.
Lesen führt dazu, dass Lesende regelmäßig mit neuen Wörtern, Phrasen und Ausdrücken konfrontiert werden. Durch das Lesen von Büchern, Zeitungen, Zeitschriften und anderen schriftlichen Materialien kommen LeserInnen mit einer Vielzahl von Wörtern in verschiedenen Kontexten in Berührung.
Durch diese Exposition gegenüber neuem Vokabular können LeserInnen nicht nur die Bedeutung neuer Wörter erlernen, sondern auch, wie sie in verschiedenen Situationen angewendet werden können.
Darüber hinaus fördert Lesen das Verständnis von Kontext und Konnotationen, was dazu beiträgt, dass der Wortschatz nicht nur größer, sondern auch nuancierter wird. Eine gute Kommunikationsfähigkeit steigert auch die Attraktivität.
Das ist nicht nur platt daher gesagt. Verschiedene Untersuchungen haben nachgewiesen, dass Menschen, die regelmäßig lesen, tendenziell einen größeren Wortschatz haben als Menschen, die nicht oder selten lesen. Dieser Unterschied im Wortschatz kann sich auf verschiedene Aspekte des Lebens auswirken, einschließlich Kommunikation, Ansehen und berufliche Leistung.
Mehr als eine Sammlung von Buchstaben
Lesen unterhält, beflügelt die Fantasie und steigert die Kreativität, somit ist Lesen nicht nur eine Möglichkeit, Wissen zu erwerben, sondern es ist eine wichtige Quelle der Unterhaltung.
Geschichten, Romane, Gedichte und andere literarische Werke können LeserInnen in andere Welten entführen, sie mit faszinierenden Charakteren bekannt machen und komplexe Handlungsstränge erleben lassen. Es stimuliert die Fantasie, indem es den Lesenden ermöglicht, sich Bilder und Szenarien in ihrem Geist vorzustellen.
So stell dir folgendes Szenario kurz vor: Dein Tag war lang, die Schule oder Arbeit stressig, und da liegt es, das neue Buch. Es liegt schon länger auf dem Stapel ungelesener Bücher und lacht dich an. Du nimmst es in die Hand, schlägst es auf und tauchst ein in eine packende Geschichte. Ferne Welten entstehen vor deinem geistigen Auge, die Protagonisten bekommen endlich ein Gesicht. Abenteuer werden bestanden, Gefahren bewältigt oder das Herz wird berührt. Hach …
All diese Emotionen unterhalten den Lesenden, beflügeln die Fantasie und steigern damit die eigene Kreativität. Lesen ist so unglaublich bereichernd und befriedigend im Vergleich zu den Dauerwerbesendungen, den ständigen Wiederholungen und langweiligen Shows im tagtäglichen Fernseh-Einerlei.
Nimm ein Buch und wende dich den spannungsvollen, romantischen oder fantastischen Geschichten zu. Der Schlaf in der folgenden Nacht wird erholsamer und Träume werden aufregender sein. 🙂
Der negative Trend
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Um die Lesekompetenz in Deutschland scheint es schlecht bestellt zu sein.
Die internationale IGLU-Studie veröffentlichte im Mai 2023 ihren aktuellen Bericht und bestätigt damit, dass die Lesekompetenz der SchülerInnen der vierten Klasse deutlich schlechter ist als noch vor fünf Jahren. Hier der Link zum Artikel.
Im Dezember 2023 wurde das Ergebnis der PISA-Studie für das Jahr 2022 vorgestellt. Geprüft wurde u. a. die Lesekompetenz 15-jähriger SchülerInnen, und der negative Trend setzt sich auch hier fort.
Warum ist das so? Schließlich liest die Jugend doch, wie der Sprecher der erwähnten Nachrichtensendung in Bezug auf den Besucherandrang der LBM munter verkündete.
Und es stimmt, die Buchläden sind voller Menschen aller Altersklassen. Die verschiedenen Plattformen bieten jugendlichen Lesern einen einzigartigen Raum, um sich und die gelesenen Bücher zu präsentieren und den Austausch miteinander zu fördern. So quellen Booktok, Booktube und Bookstagram über vor Reels, Videos und Posts zu Buchpräsentationen, und damit ist es bewiesen: Bücher haben einen festen Platz im Medienalltag der Jugendlichen.
Die Gefahr, sie lauert
Doch der negative Trend der Lesekompetenz ist dokumentiert und liegt vermutlich u. a. in der massiven Nutzung von Smartphones, Social-Media usw.
So praktisch diese Gerätschaften und Angebote sind, sie tragen eben auch eine Gefahr in sich:
Kürzere Aufmerksamkeitsspanne: Die ausgiebige Nutzung von sozialen Medien und Apps kann dazu führen, dass die Aufmerksamkeitsspanne verkürzt wird. Eine Folge daraus kann sein, dass es zunehmend schwieriger wird, längere Texte zu lesen und sich darauf zu konzentrieren.
Vorliebe für grafische Inhalte: Viele Inhalte auf Handys sind grafisch ansprechend, wie z. B. Videos, Bilder und kurze Nachrichten. Intensive Nutzung kann zur Gewöhnung führen, und als Folge werden vermehrt grafische Inhalte dem Lesen von Texten vorgezogen.
Häufige Unterbrechungen: Handys können häufige Unterbrechungen in den Lesefluss bringen, da Benachrichtigungen, Anrufe oder die Versuchung, durch Social-Media-Apps zu scrollen, die Konzentration stören können.
Kürzere Texte und Nachrichten: Auf den kleinen Gerätschaften werden oft kürzere Texte und Nachrichten konsumiert, wie z. B. Tweets, Textnachrichten oder kurze Artikel. Mit der Folge, dass eine Gewöhnung eintritt und das Lesen längerer Texte zunehmend schwieriger wird.
Der Trend zu immer kürzeren und filmischen Beiträgen in der digitalen Welt ist längst kein Trend mehr. Man kann es überall beobachten: Die Artikel in Online-Angeboten werden stetig kürzer und die visuelle Präsentation via Video nimmt zu.
Multitasking: Mobiltelefone ermöglichen außerdem das Multitasking. Das kann dazu verführen, gleichzeitig zu lesen und andere Dinge zu tun. Was wiederum auf Dauer die Lesekompetenz beeinträchtigt, da die volle Aufmerksamkeit nicht auf den Text gerichtet ist.
Die zweite Seite der Medaille
Es ist mir jedoch auch wichtig zu betonen, dass die Auswirkungen auf die Lesekompetenz individuell variieren können und natürlich abhängig vom persönlichen Nutzungsverhalten sind. Reserviert man bewusst Zeit für das Lesen und minimiert die Ablenkungen, kann die Lesekompetenz auch weiterhin verbessert bzw. aufrechterhalten werden.
Außerdem stellen diese Geräte ebenso einen echten Mehrwert für Menschen mit Einschränkungen und Analphabeten dar, da sie eine Vielzahl von Funktionen und Anwendungen (wie Sprachassistenten usw.) bieten und so der Zugang zur Literatur, zu Informationen und Kommunikation an sich erleichtern können. Das zeigt, dass auch bei dieser Thematik verschiedene Betrachtungsweisen herangezogen werden müssen und diese technischen Entwicklungen Raum für positive als auch negative Aspekte bieten.
Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass neben der Eigenverantwortung vor allen auch die Vorbildfunktion der Eltern eine große Bedeutung bei der Schaffung der Lesekompetenz hat.
Eltern, die selbst gern lesen und dies ihren Kindern vorleben, schaffen eine positive Leseumgebung und Erfahrungen. Durch das regelmäßige Vorlesen im Kindesalter wird das Interesse am Lesen geweckt und die Motivation der Kinder für das Lesen gefördert. Nebenbei stärkt es die zwischenmenschliche Bindung, vermittelt positive Erfahrungen und steigert die Fantasie der Kinder. Selbst Lesen und das Vorlesen bringen und bereiten Vergnügen.
Die Quintessenz
Letztlich liegt die Entwicklung und Erhaltung der Lesekompetenz in der eigenen Verantwortung, den persönlichen Möglichkeiten, der bewussten Förderung und schlussendlich gilt:
Lesen ist nicht nur eine praktische Fähigkeit, sondern auch eine Quelle der Freude, der Inspiration und der persönlichen Entwicklung. Lesen macht das Leben bunt.
Lesekompetenz – ein vielschichtiges Thema