Herr Fliegenbein und die Suche nach der Stille
von Astrid Göpfrich
Mit wortkargen Finnen beim Eisfischen, im Schweigekloster und in der stillsten Kammer der Welt
Herr Fliegenbein dröhnt es in den Ohren. Hupende Autos, der Krach in den U-Bahnen, das laute Radio des Nachbarn, all das ist ihm ein Graus! Deshalb begibt sich der lärmempfindliche Sonderling auf eine Reise zu den entlegensten Orten der Welt. Doch weder im hohen Norden noch im tiefsten Regenwald findet er, wonach er sich sehnt. Überall stößt er auf Hindernisse, wirklich still scheint es nirgends zu sein. Erst als Herr Fliegenbein erkennt, dass der Ort, den er sucht, auf keiner Landkarte verzeichnet ist, kommt er seinem Ziel endlich näher …
Auszug des Klappentexts
Ein außergewöhnlicher Held und eine besondere Reise
Der Buchtitel „Herr Fliegenbein und die Suche nach der Stille“ hat mich direkt abgeholt, denn Selbstfindungsromane finden immer wieder ihren Weg auf meinen Stapel ungelesener Bücher. In hektischen Zeiten sind ihre Geschichten Balsam für die Seele, liefern Auswege aus dem täglich surrenden Hamsterrad und bieten Ansätze zum Umdenken. Muss ich mich dem Stress des Alltags und dem Trommelfeuer der Medien wirklich ausliefern? Kann ich all das beiseitelassen? Oft habe ich meine Lebenssituation nach dem Lesen solch schöner Romane wie „Hectors Reise“ oder „Das Café am Rande der Welt“ hinterfragt und konnte die eine oder andere kleine Stellschraube nachjustieren.
Die Zahl von Romanen dieser Art ist nicht ohne Grund in den letzten Jahren stark gestiegen. In Buchhandlungen füllen Sie inzwischen zum Teil ein eigenes Regal. Da wird es manchmal schon schwierig, Neues zu entdecken.
Astrid Göpfrichs Roman „Herr Fliegenbein und die Suche nach der Stille“ sprach mich aufgrund des reduzierten Covers an, das mich dann auch den Klappentext lesen ließ. Dort fand ich mich wieder: Ganz oft ist es auch mir zu laut, in der S-Bahn, auf Marktplätzen, im Supermarkt. Wenn ich das Fenster öffne, höre ich das permanente Rauschen der Stadt.
Die Suche nach der Stille
Herr Fliegenbein verträgt überhaupt keinen Lärm, er findet auf seiner Reise gar heraus, dass er an einer Geräuschüberempfindlichkeit leidet, der Hyperakusis. Um dem Lärm zu entgehen, begibt er sich auf eine abenteuerliche Odyssee, die ihn in die finnische und die amerikanische Wildnis, in eine Kammer der absoluten Stille und in ein Mönchskloster führt. Stets dabei sind seine Stehlampe und der kleine Arturo, der ihm vor dem Abflug begegnet und nicht mehr von der Seite weicht. Doch die absolute Stille zu finden ist für Herrn Fliegenbein ein Ding der Unmöglichkeit, denn an allen Orten ist da immer noch etwas, das Geräusche verursacht. Bis er am Ende der Geschichte zu seiner ganz persönlichen Erkenntnis gelangt.
Im Roman finden sich einige schöne Denkanstöße, die unsere von Geräuschen überfüllte Welt zum Thema haben. Darüber hinaus hat das Werk allerdings wenig Innovatives zu bieten. Der Protagonist und sein kindlicher Sidekick reisen um die halbe Welt und klappern eine Handvoll Locations ab, an denen die vermeintliche absolute Ruhe zu finden sein soll. Dadurch gerät die Story zu einer Art sehr persönlichem Reisebericht.
Was dem Roman fehlt
Drei Probleme habe ich mit dem Roman: Im Vergleich zu „Hector“ und ähnlichen Veröffentlichungen werde ich mit dem Hauptakteur nicht warm. Bei allem Verständnis für die psychische Belastung, die die Überempfindlichkeit verursachen kann, ist Herr Fliegenbein durchweg mies drauf und kaum in der Lage, seiner Umwelt etwas Positives abzugewinnen. Ich habe einen miesepetrigen, alten Mann vor mir, der an allem etwas auszusetzen hat. Dadurch geht der Geschichte viel von der Leichtigkeit verloren, die ich nach dem Lesen des Klappentextes erwartet habe. Ein einfühlsamerer Charakter hätte Herrn Fliegenbein besser gestanden, mit dem ich gern gemeinsam gelitten hätte.
Eine weitere Schwierigkeit ist das ziemlich abrupte Ende. Aus meiner Sicht fehlte hier noch etwas. Wie kommt es zu dem Sinneswandel, und was bedeutet er für Herrn Fliegenbeins Zukunft?
Das Dritte: Die Pointe mit dem Jungen war durchaus gelungen, auch wenn sie erwartbar gewesen ist. Allerdings fördert sie in der Rückschau auf bestimmte Ereignisse in früheren Kapiteln eine ganze Reihe von logischen Fehlern zu Tage.
Ganz nett, mehr nicht
Handwerklich versteht die Autorin, ihre LeserInnen zu unterhalten. Sprachlich bewegt sie sich auf hohem Niveau, wenn auch einige Satzkonstrukte zu sehr ausufern. Flüssig lesen lässt sich das Buch jedoch auf jeden Fall.
Trotzdem ist „Herr Fliegenbein und die Suche nach der Stille“ keine Geschichte, die in meinem Büchergedächtnis tiefe Spuren hinterlässt. Das ist vor allem dem wenig sympathischen Protagonisten und den Logikbrüchen geschuldet.
Meine Bewertung

Hinweis: Keine bezahlte Werbung
ISBN: | 978-3-8661-2474-5 |
Sprache: | Deutsch |
Ausgabe | Gebundenes Buch |
Seitenzahl | 256 |
Verlag | Pendo Verlag |
Erscheinungsdatum: | 04.11.2019 |
Ein Sonderling auf Reisen