Manfred
von Thomas Lehr
Bekenntnisse eines Außerirdischen
Der irrwitzigste Roman, den Thomas Lehr je geschrieben hat.
Auszug des Klappentexts
Manfred ist ein höchst durchschnittliches Exemplar der Gattung Homo sapiens – und löst dennoch intergalaktischen Alarm aus. Der Außerirdische Zorrgh ergreift Besitz von Manfreds Bewusstsein, um den Grund dafür herauszufinden. Ein wilder Ritt bis an die Grenzen der menschlichen Erkenntnis und darüber hinaus.
Weder Fantasy-Roman noch Gesellschaftsroman mit gewöhnungsbedürftigem Schreibstil
Was ich zu dem Roman „Manfred“ schreiben soll … ich bin unschlüssig: Es gäbe Anlass genug, die sprachlichen Qualitäten des Autors über den grünen Klee zu loben, und ebenso taugt sein Schreibstil zum gnadenlosen Verriss. Im selben Zwiespalt befinde ich mich angesichts des Plots, der Charaktere und des vermeintlichen Ansinnens des Autors. Aber eins nach dem anderen.
Der Autor
Thomas Lehr, geboren 1957 in Speyer, ist kein Unbekannter und hat bereits in den 1990ern viel geachtete Romane veröffentlicht und einige Preise dafür erhalten. Er ist mehrfacher Gewinner des Wettbewerbs „Buch des Jahres (Rheinland-Pfalz)“ („Zweiwasser oder Die Bibliothek der Gnade“, 1993, „Nabokovs Katze“, 1999, „Frühling“, 2001). Rezensionen zu seinen Werken habe ich erst nach Lektüre des Romans „Manfred“ gelesen und darüber hinaus kontroverse Diskussionen zu seinem Schreibstil. Hätte ich dies vor dem Kauf seines aktuellen Romans getan, ich hätte diesen sehr wahrscheinlich im Laden liegen gelassen.
Was habe ich erwartet?
Der Klappentext versprach einen irrwitzigen Roman über einen Außerirdischen, der in den Körper eines durchschnittlichen Menschen fährt, um herauszufinden, weshalb gerade dieser einen intergalaktischen Alarm ausgelöst hat. Ich freute mich auf pointierte Dialoge, heftige verbale Auseinandersetzungen und auch die eine oder andere physische Konfrontation zwischen Mensch und Alien sowie skurrile Situationen. Irgendeine niedergeschriebene Version zwischen „Venom“ und „Paul – Ein Alien auf der Flucht“. Letzteres ist dann wohl mein größter Irrtum, denn all das ist „Manfred“ nicht. Und es zeigt einmal wieder, dass Klappentexte ein grandioses Marketingwerkzeug sind, das den Leser nicht selten auf die falsche Fährte lockt.
Die Story
Die gesamte Geschichte wird der Sicht des Aliens Zorrghh erzählt, das ausgesandt wird, um die vom Menschen Manfred ausgehende Gefahr zu untersuchen. Diese besteht darin, dass er einer der wenigen Erdenbewohner zu sein scheint, die durch das Denken des „zutreffenden Gedankens“ eine Pforte zur Welt der Aliens aufstoßen können. Die Aliens des „Wahren Universums“ müssen dies um jeden Preis verhindern. Zuvor ist dies nur ausgesprochenen Genies beinahe gelungen, darunter dem Maler Hieronymus Bosch oder der britischen Mathematikerin Ada Lovelace. Nur durch Inbesitznahme ihrer Körper bzw. ihres Denkens durch die Aliens konnte Schlimmeres verhindert werden. Und nun kommt da der „Manfred“ …
Der Schreibstil
In den zuvor erwähnten Rezensionen wird der Stil des Autors oft als „experimentell“ bezeichnet. Das trifft auch auf „Manfred“ zu. Zorrgh bedient sich durchgängig des Pluralis Majestatis und spricht von „Wir“ und „Uns“. Das ist anfangs gewöhnungsbedürftig beim Lesen, vermittelt allerdings recht eindringlich die bisweilen überhebliche Art dieses außerirdischen Wesens, mit der es auf die Menschheit und ihre Machenschaften herabsieht. Der Eindruck des arroganten, latent genervten Schnösels drängte sich mir auf. Vollendet wird dieses Bild durch die eingestreuten Bemerkungen zu verschiedensten Verhaltensweisen der Menschen, seien es die kleinen zwischenmenschlichen Handlungen und Reaktionen oder die großen Dinge: Politik, Religion, Kriege … All das wird von Zorrgh mit gerümpfter Nase herablassend kommentiert.
Gewöhnungsbedürftig ist unter diesen Voraussetzungen das flüssige Lesen des Texts. Der Erzähler ergeht sich in bisweilen endlosen Satzkonstrukten, die abseits von Nebensätzen angefüllt sind von Einschüben, die mit Gedankenstrichen und Klammern die Buchstabenbandwürmer noch weiter aufblähen. Damit nicht genug, strotzen die Sätze von Adjektiven und Adverbien, die leider allzu oft auch noch redundant eingesetzt werden.
Das kann hohe Kunst und reizend zu lesen sein, in diesem Fall torpediert es den Lesefluss leider massiv, so dass man nach einem solchen eine halbe Seite überspannenden Satz doch den Faden verliert und ihn eigentlich noch einmal lesen müsste (wirklich: Der vorangegangene Satz ist im Vergleich zu einigen im Roman lächerlich kurz). Man liest den Satz aber aus Frust einfach nicht nochmal.
Der Autor hätte es hingegen noch einmal tun sollen, oder zumindest sein Lektorat, denn in diesem Dschungel aus Sätzen sind ihm an mehreren Stellen die Pferde durchgegangen: Akkusativ und Dativ passen hier und da nicht, „dass“ und „das“ stellten für meinen Lesefluss Hindernisse dar.
Ich selbst bin nicht frei von Fehlern, aber hey, ich bin auch kein prämierter Schriftsteller. Für ein Werk, dessen Autor per Klappentext „enorme sprachliche Fähigkeiten“ zugesprochen werden, sind solche Patzer eher peinlich.
Irgendein Fazit
Die sprachliche Herausforderung war so enorm, dass sich die eigentliche Geschichte im genannten Wortdschungel praktisch verliert. Unter der alles überstrahlenden, egomanen Persönlichkeit des extraterrestrischen Super-Ichs bleiben die übrigen Protagonisten völlig farblos. Das trifft vor allem auf den titelgebenden Manfred zu, in dessen Körper sich Zorrgh die meiste Zeit aufhält. In der Tat ist Manfred nur eine Marionette in diesem Plot, ein Vehikel (so wird er auch genannt), das dem Schnösel als Transportmittel dient.
Und der Plot? Ein astronomisches Projekt spielt eine wichtige Rolle, in das die Zorrgh / Manfred umgebenden Charaktere auf verschiedene Weise verstrickt sind. Auch das geht im Getöse des unentwegt Labernden weitgehend unter und/oder ist so uninteressant beschrieben, dass es einen nicht zu fesseln vermag. Wenigstens auf den letzten dreißig Seiten tut sich dann doch so etwas wie ein Sinn auf, und der Autor gönnt seinen Lesern ein paar philosophische Denkanstöße, einen Einblick in die Herkunft des Aliens und die Wesensart des uns umgebenden Universums. Freilich konsequent in langen, langen Sätzen.
Über Buchpreise und deren Träger bzw. ihre Wahl lässt sich vortrefflich diskutieren. In Rezensionen anderer Romane mache ich keinen Hehl daraus, dass ich davon und auch den aufdringlichen „Bestseller-Autor“-Aufklebern im Buchladen wenig halte. „Manfred“ mag der eine oder andere als hohe Kunst, als Literatur für Intellektuelle bezeichnen, deren Qualität sich einer breiten Masse von Lesern nicht erschließen wird. Nein, ich stelle mein Licht hier nicht unter den Scheffel, ich lese leidenschaftlich gern, auch Klassiker und intellektuell fordernde Werke. Thomas Lehrs jüngste Veröffentlichung mag zwar stilistisch anspruchsvoll sein, das allein macht ein gutes Buch allerdings bei Weitem nicht aus.
„Manfred“ ist in meinen Augen ein exotisches Werk eines Autors, der sich auf sehr spezielle Weise auszudrücken vermag. Diese lässt allerdings ein wesentliches Merkmal schmerzhaft vermissen: Den Spaß am Lesen.
Meine Bewertung
Hinweis: Keine bezahlte Werbung
ISBN: | 978-3-446-27749-6 |
Sprache: | Deutsch |
Ausgabe | Gebundenes Buch |
Seitenzahl | 336 |
Verlag | Hanser, Carl |
Erscheinungsdatum: | 21.08.2023 |
Weder Fantasy-Roman noch Gesellschaftsroman …
hihi
langer Rede kurzer Sinn..
Finger weg lassen
schade um das Geld ..
ich kenne das Buch ja nicht
aber ich finde du hast es sehr gut „auseinander genommen “
ich hasse ellenlange Sätze
liebe Grüße
Rosi