Farbiger Buchschnitt

Ein Trend, dem man sich kaum entziehen kann.

Der Blick schweift durch die Buchhandlung. Überall glitzert es oder es schreit einen direkt in den verschiedensten Pastelltönen an. Visuell und trotzdem laut. Mit Farbverlauf und gern kombiniert mit detailreichen Verzierungen, Mustern, Bildern oder geschwungenen Schriften.
Das Auge zuckt. Der Kopf schmerzt. Okay, das war jetzt etwas überspitzt, aber die quietschbunten Bücher sind schon eine echte Herausforderung geworden. Daher werde ich heute etwas Senf über diesen zuckrig-süßen Buchtrend „Farbiger Buchschnitt“ träufeln.

Den Trend kurz erklärt

Zuerst ein paar Fakten: Als Buchschnitt werden die offenen drei Seitenflächen des Buchblocks (die aufeinanderliegenden Buchseiten) eines Buches bezeichnet, an denen sich jedes Buch öffnen lässt. Ist es zugeklappt, sieht man das Papier in seiner ursprünglichen Farbe. Und natürlich kann dieser Buchschnitt eingefärbt bzw. dekoriert werden.

Dieses Dekorieren ist auch keine bahnbrechend neue Erfindung für die New Adult Romance und das Fantasy-Genre, schon länger wurden auch diese Flächen einfarbig coloriert, um die Covergestaltung des Buchs zu ergänzen bzw. um es in der Buchhandlung hervorzuheben. Ein simpler Trick, um den Blick des Stöbernden einzufangen.

Buchblog der Buchleserin | Farbiger Buchschnitt in Gold
Farbiger Buchschnitt in Gold aus dem Jahr 1892

Bereits vor Jahrhunderten wurde von Hand der Buchschnitt coloriert, das kennt man von den goldverzierten historischen Werken bzw. antiquarischen Büchern.

Heutzutage werden die Farben meist aufgesprüht, wenn Bücher noch von Hand dekoriert werden.

Gängig ist das digitale Bedrucken des Buchschnitts. Hier sind der Vielfalt an Motiven, Farben usw. keine Grenzen gesetzt, und die großen Auflagen der Bücher mit Farbschnitt können effizient umgesetzt werden. Das versteht sich von selbst.

Farbiger Buchschnitt trifft auf Vorurteil

Rumms! Die Schublade ist zu.

Buchblog der Buchleserin | Farbige Buchschnitte

Puh, wenn ich diese pastelligen, glitzernden Bücher in der Buchhandlung sehe, kann ich es einfach nicht verhindern, sofort öffnet sich meine imaginäre Schublade und ich weiß, dass ich diese Bücher nicht anfassen werde. Niemals! Und das ist völlig in Ordnung, denn ich bin definitiv nicht die Zielgruppe für derartige Literatur.

Doch um bei der Wahrheit zu bleiben, muss ich natürlich noch einwerfen, dass sich ein paar Fantasy-Romane mit farbigem Buchschnitt in meiner Sammlung befinden. Der Unterschied ist, diese Bücher sind in gedeckten Farben ohne Firlefanz gehalten.

Mit den farbigen Buchschnitten hat die Marketingstrategie der Verlage absolut ins Schwarze getroffen. Direkt ins Bull’s Eye.
Fans von Büchern mit bunten Farbschnitten gibt es zuhauf. Meist weiblich, jung (oder sehr junggeblieben), kaufkräftig und hochmotiviert, die unzähligen Buchreihen besitzen zu wollen. In den Communitys ist ein regelrechter Wettbewerb entbrannt um die Erstauflagen mit Farbschnitt. Sie werden gesammelt, in heimischen Bücherregalen ausgestellt, und nicht wenige kaufen diese Erstauflagen bewusst mit dem Hintergedanken der Wertsteigerung, um sie später gewinnbringend veräußern zu können.
Das ist kein Witz, das ist Realität. Angebot und Nachfrage, so what.

Ein Buch will gelesen werden

Doch Moment. Eigentlich geht es doch um die Geschichte, um die schriftstellerische Arbeit des Autors, das Eintauchen in die Handlung. Natürlich, das Auge liest auch ästhetisch mit, und der Gesamteindruck eines Buchs ist nicht zu vernachlässigen. Doch wenn jedes neue Buch mit einem farbigen Buchschnitt verlegt wird, ist bald das Besondere nichts Besonderes mehr. Oder? Eine hübsche Verpackung ist noch lange kein Qualitätsmerkmal für einen besonders mitreißenden Plot und schon gar kein Garant für eine handwerklich herausragende Geschichte. Und dafür wurden die Bücher doch letztlich verlegt, damit der Leser eintauchen kann in die Gedanken, die Welten und die Geschichten, welche sich der Autor in mühevoller, monatelanger Arbeit für seine Leserschaft erdacht hat.

Zeigen was man hat

Immer wieder höre und lese ich davon, dass die meist jungen LeserInnen diese Bücher sammeln und präsentieren. Sie werden verkehrtherum in die heimischen Regale gestapelt, sodass die Farbschnitte bestens zur Geltung kommen, fotografiert, gepostet und geliket.
Der Buchrücken mit Titel und Autor ist irrelevant. Alles was zählt, ist der farbige Buchschnitt. Echt jetzt?

Allerdings muss ich zugeben, dass ich auch LeserInnen kenne, die ihre Bücher nach Farben sortieren. Das kann man in der heimischen Bibliothek selbstverständlich machen. Bei dieser Art, seine private Bibliothek zu verwalten, kann man immerhin die Buchrücken lesen und weiß, um welches Buch und welchen Autor es sich handelt, und ist nicht gezwungen, sich Farbgestaltung und Muster zu merken. 😊

Der Farbschnitt und seine Folgen

Ich finde, wenn man über das Thema zum farbigen Buchschnitt nachdenkt, muss man weitere Aspekte mit in den Fokus nehmen.
Das wären zum einen die Kosten (Herstellungskosten, Druck, Grafiker etc.), zum anderen die Nachhaltigkeit, wie z. B. die Auswirkung der Farben auf die Umwelt. Dabei meine ich nicht nur den Umwelteinfluss beim eigentlichen Druck des Farbschnitts, sondern auch den, wenn die Auflagenhöhe falsch berechnet wurde oder ein Fehler beim Druck passiert ist. Diese Probleme führen nämlich dazu, dass die Bücher verramscht oder geschreddert werden müssen.
Oder was ist mit den Autoren – mit oder ohne Verlag -, deren Auflagen so gering sind, dass sie sich die hohen Zusatzkosten für mögliche Farbschnitte nicht leisten können? Diese haben – wenn nur noch dekorierte Bücher bevorzugt werden – es noch schwerer als ohnehin schon am hartumkämpften Buchmarkt.
Diese drei Fakten zeigen, dass es so viele Gesichtspunkte zu diesem Thema gibt, welche den Rahmen des Beitrags eindeutig sprengen. Deshalb ist das Thema Farbiger Buchschnitt für mich noch nicht auserzählt, dazu gibt es an dieser Stelle zu einem späteren Zeitpunkt mehr.

Fraglos ist ein ansprechend gestaltetes Buchcover, abgerundet mit einem farbigen Buchschnitt, wirklich schön anzusehen und auch etwas Besonderes, wenn es nicht inflationär behandelt wird.
Für mich dürfte es nach wie vor etwas Besonderes bleiben, daher würde ich gern dahin zurückkehren, wo Farbschnitte nur für Special Editions verwendet wurden. Oder was meint ihr dazu?

Buchblog der Buchleserin | Farbige Buchschnitte
Buchblog der Buchleserin | Farbige Buchschnitte: Bunt vs. gedeckt

Ein Trend, der auch Fragen aufwirft.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert