Südfall

von Florian Knöppler

Südfall von Florian Knöppler | Buchcover

Ruhig, menschlich, berührend – ein Roman, in dem Begegnungen zu Wendepunkten werden

Dave überlebt den Abschuss seines Fliegers über dem nordfriesischen Wattenmeer und entgeht nur knapp dem Ertrinken. Der britische Soldat könnte das Kriegsende in einem Versteck abwarten, doch er wagt die Flucht von Husum die Küste entlang nach Dänemark. Dabei trifft er auf die unterschiedlichsten Menschen. Da ist der junge, sensible Paul, der von sich selbst Härte verlangt, seine Tante Anna, die sich entschließt, Dave zu helfen, und Cecilie, ein schillerndes und doch verschlossenes Mädchen. Auf einem Boot an der dänischen Grenze entsteht ein Plan, wie Dave es bis nach England schaffen könnte.

Auszug des Klappentexts

Gegenwartsliteratur die Hoffnung weckt

Ein paar Worte vorweg

Den Roman „Südfall“ habe ich geschenkt bekommen, und ich gestehe, selbst hätte ich mir das Buch vermutlich nicht gekauft. Der Verfasser war mir bisher völlig unbekannt, hat er doch bereits zwei Bücher veröffentlicht mit erstaunlichen Kritiken. Hier wäre mir fast ein ausdrucksstarker Autor der deutschen Gegenwartsliteratur entgangen. Daher noch einmal einen lieben Dank an den Verschenkenden!

Kriegsgeschichten gegen das Vergessen

Der Roman „Südfall“ ist im Jahr 1944 angesiedelt. Wer mich kennt, weiß, dass ich grundsätzlich Bücher mit einer expliziten Handlung während der Kriegsjahre meide. Warum?
Als junger Mensch habe ich mich sehr intensiv mit dem Krieg und seinen Folgen beschäftigt. Das hinterlässt Spuren, Bilder im Kopf und unzählige Gefühle, die schwer zu verarbeiten sind. Doch in meinen Augen ist es die Pflicht eines jeden nach dem Krieg geborenen Deutschen, sich mit unserer Geschichte auseinanderzusetzen, um nicht zu vergessen.

Der Klappentext hat mich jedoch neugierig gemacht. Ich wollte dem Buch eine Chance geben und nur kurz die erste Seite lesen, um ein Gefühl für den Ton der Geschichte zu bekommen. Was soll ich sagen? Als ich aufblickte, war ich auf der Seite 76 angelangt und habe gemerkt, dass mein Vorhaben einen Haken hatte. Zum Glück!

Menschlichkeit in Kriegszeiten

Der Grundton des Romans ist sehr ruhig, und die Handlung wird bestimmt von der Flucht des Engländers Dave und den Menschen, welche ihm auf seiner Reise begegnen. Diese Menschen müssen jedes Mal entscheiden, ob Freund oder Feind vor ihnen steht. Ganz unabhängig von der offensichtlichen Klassifizierung als feindlichem englischen Soldaten. Und Dave wiederum durchlebt bei jedem neuen Aufeinandertreffen Angst und die Sorge, welche Gesinnung die Person in sich trägt. So begegnet er auf seiner beschwerlichen Reise ganz unterschiedlichen Menschen. Sie unterscheiden sich im Alter, der gesellschaftlichen Position, im Geschlecht und natürlich in ihrer jeweiligen persönlichen Geschichte. Jedoch eine Gemeinsamkeit verbindet alle. Immer wieder muss entschieden werden: Bin ich menschlich und helfe, oder melde ich den Feind und verurteile einen mir Unbekannten zum Tode.
Diese ganz unterschiedlichen Begegnungen und das Spiel mit der Entscheidung machen den Reiz des Romans aus. So ist „Südfall“ nicht das Buch über den Krieg, wie ich es zuerst vermutet hatte, es ist vielmehr eine Hommage an die Menschlichkeit und das Leben.

Über die Sprache zum Genuss

Die Erzählform des Romans ist ungewöhnlich. Der stetige Wechsel der Protagonisten durch die fortschreitende Flucht eröffnet ein hohes Maß an Spannung. Jeder der eigenwilligen Charaktere mit seiner ganz eigenen Hintergrundgeschichte ist hervorragend ausgearbeitet worden. So folgt man mehr als bereitwillig der Geschichte und hofft bis zum Ende, dass Dave die Flucht gelingt.
Der Schreibstil ist hervorragend. Der Ton der Geschichte ruhig, leise, fokussiert und sehr berührend. Für mich ist es faszinierend, wie ein derart zurückhaltendes und leises Buch sich dermaßen laut für die Menschlichkeit in Kriegszeiten stark machen kann. Respekt!

Mein Fazit zum Buch

Ich mache es kurz: Mir hat es unglaublich viel Freude gemacht, den Roman „Südfall“ zu lesen, daher spreche ich für das Buch eine Leseempfehlung aus. Und ich? Ich werde ganz sicher noch die anderen Bücher des Autors lesen.

Meine Bewertung

5-Sterne-Bewertung
Hinweis: Werbung - Rezensionsexemplar | Vielen Dank an den Pendragon-Verlag für das Leseexemplar!
ISBN:978-3-86532-851-9
Sprache:Deutsch
AusgabeHardcover
Seitenzahl248
VerlagPendragon Verlag
Erscheinungsdatum:16.08.2023

Wenn Begegnungen zu Wendepunkten werden

2 Comments

  1. Hallo liebe Doreen,

    vielen Dank für diese sehr enge und dichte Rezession mit persönlicher Note von dir. Sie hat mir ausgezeichnet gefallen. Gerne würde ich allerdings ein paar kurze Bemerkungen machen:

    1. Ich glaube, dass unser gesamtes Leben sehr von Bewegungen geprägt und abhängig ist. Oft hätten wir bestimmte Leute nie getroffen, hätten wir vorher nicht bestimmte andere Menschen gekannt. Mich beschäftigt das Thema „Begegnungen“ gerade sehr, nicht umsonst finde es sich ab morgen auch auf meinem eigenen Blog, inspiriert von Stefan 😉

    2. Die deutsche Geschichte zu kennen, sie zu verstehen und zu begreifen, empfinde ich genau wie du auch als Pflicht. Ich bin allerdings dagegen, irgendwelche Generationen von heute zu Tätern zu machen, was leider nicht selten passiert. Aber es ist für mich wichtig, dass jeder Mensch, auch der letzte, versteht und begreift, wie schnell aus einer „rettenden Idee“, ein unmenschlicher Fanatismus werden kann.

    Ganz persönlich erinnere ich mich an eine CD-ROM, die ich irgendwann bekam und auf der es um die „Wannensee-Konferenz“ ging. Da fiel der Satz, es seien bestimmte Menschen wie Flöhe, die könne man nicht in Käfige sperren und dann hieß es dort schreiend: „Man muss sie ausrotten“, was mit tosendem Applaus und Gelächter gefeiert wurde. Das hat sich bei mir eingebrannt und wenn du heute in der ZDF „Mediathek“ mal den Film „Wannensee-Konferenz“ schaust, dann wird es dir so wie mir ergehen, irgendwann laufen dir die Tränen.

    Liebe und herzliche Grüße
    Giannis

    1. Lieber Giannis,
      du bringst es wieder auf den Punkt. Begegnungen sind das, was unser aller Leben prägt (ich denke hier aktuell oft an meine Begegnungen meines letzten Beitrags der Gedankenspiele). Wichtig ist immer, was man aus den Begegnungen macht und für sich persönlich mitnimmt. Der Autor von „Südfall“ hat dieses Thema eindrücklich in Szene gesetzt.
      Leider geschieht es immer noch, dass die neue Generation mit den Tätern von damals gleichgesetzt wird. Die Jahre haben nicht ausgereicht, um das Bild in der Welt zu ändern. Und der aktuelle Trend lässt die Vermutung erwachsen, dass wir „rückfällig“ werden. Deshalb sind derartige Bücher gegen das Vergessen wichtig sowie die Zeitzeugenaufnahmen der letzten überlebenden Generation.
      Ich bin schon sehr gespannt auf deinen Beitrag zum Thema „Begegnungen“.
      Liebe Grüße

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