Die Macht des geschriebenen Wortes
Es passiert etwas in der Welt
Stetig mehren sich die Nachrichten, wie in vermeintlichen demokratischen Staaten die Angst vor Büchern wächst. Die Macht des geschriebenen Wortes erzeugt bei einzelnen Menschen scheinbar eine ungeheure Angst. Bücher werden zensiert, Geschichtsbücher umgeschrieben oder gar ganz aus Buchläden und Bibliotheken verbannt. Sofort beschleicht mich das Gefühl: Gab es das alles nicht schon einmal?
Nur Bibliophobie oder schon Wahnsinn
Neuestes Beispiel ist Russland. Okay, Russland ist so weit weg von der Demokratie wie der Mars von der Erde. Mindestens. Und doch geschieht es gerade wieder. Der regierende Despot schreibt seine eigene Landesgeschichte neu. Aktuell gibt es neue Geschichtsbücher für die 11. Klassen, und die Bücher für die Klassenstufen 5 bis 9 sind in Arbeit. Darüber berichtete u. a. die Tagesschau.
Bereits 2021 hat Ungarn den Verkauf von queeren Büchern (und auch Filmen) eingeschränkt. Ungarns Herrscher will mit dem Gesetz verhindern, dass Kinder und Heranwachsende Inhalte und Informationen über queere Menschen und deren Lebensweise zu sehen bekommen. Der Spiegel hat seiner Zeit darüber geschrieben.
In diesem Sommer wurde ein Buchhändler wegen dem umstrittenen LGBTIQ-Gesetz zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, weil die britische Graphic Novel „Heartstopper“ nicht in Plastikfolie eingepackt war. Mehr dazu hier.
Die USA ist ein weiteres Negativbeispiel. Dieses Land schreibt sich seine demokratische Tradition schon fast auf seine gedankliche Fahne und trotzdem verfällt das Land immer mehr in den Bücherverbotswahn. In öffentlichen Schulen wurden landesweit über tausend Bücher verboten. Warum? Weil es einigen konservativen (und rechtspopulistischen) Politikern und Organisationen (Elterngruppen) zur Lebensaufgabe geworden ist, Werke zu zensieren, in denen es um sexuelle und ethnische Identität geht. Die Friedrich-Ebert-Stiftung e. V. hat einen interessanten Artikel dazu verfasst.
Tod der Vielfalt. Es lebe die Monokultur!
Das funktioniert nicht. Hat es noch nie und wird es auch nicht. Die Landwirtschaft beweist es und im zwischenmenschlichen Leben wird es ebenso wenig passieren. Es ist, wie es immer ist mit Dingen, die verboten sind, man will sie haben, und so werden auch diese umstrittenen Bücher und Autoren ihre Leserschaft finden. Es wird sicher nicht einfach, sie werden nicht vergessen werden. Daran glaube ich.
Die Suche nach einer Erklärung
Warum diese verrückt anmutenden dummen Aktionen? Das ist eine berechtigte Frage. Die man eigentlich nicht beantworten kann. Im Falle des Wahnsinnigen aus Russland ist es für mich glasklar: Rechtfertigung seiner Taten, Macht, grandiose Selbstüberschätzung und Hirnwäsche der Bevölkerung.
Und in Ungarn und den USA? Vermutlich decken sich einige der zuvor genannten Gründe mit denen in Russland, und insgesamt wäre es natürlich viel zu einfach, von Dummheit zu sprechen. Leider fallen mir kaum andere Gründe ein, auch wenn viele der Verblendeten sogar akademische Grade besitzen. In den USA wird auf Nachfragen sehr häufig der Hinweis auf den Schutz von Amerika und der christlichen Familien angeführt. Schutz vor Homosexuellen, Andersdenkenden und der Vielfalt der Herkunft? Gab es das nicht auch schon einmal?
Nicht immer zufriedenstellend
Eine zufriedenstellende Antwort auf den Bücherverbotswahnsinn wird es nicht geben. Nur umso mehr Fragen: Wieso sind diese Verblendungen und diese unerklärliche Angst vor der gesellschaftlichen Vielfalt immer noch so präsent? Warum schaffen wir Menschen es nicht, friedvoll miteinander zu leben und zu lesen? Leben und leben lassen. Ist das so schwer?
Ich bin froh, in einem Land zu leben, welches mir ermöglicht, die Vielfalt in der Literatur zu genießen. Und auch, wo die Geschichte so unterrichtet wird, wie sie tatsächlich passiert ist, auch wenn diese Realitäten oft nicht auszuhalten sind.
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